MEGAfm ist ein 12-stimmiger FM-Synthesizer, dessen Klangerzeugung auf den YM2612 Chips der legendären Sega Megadrive/Genesis Spielkonsole basiert
Die FM-Synthese hat den Ruf der Unbedienbarkeit, was vor allem der Vielzahl an Parametern, den komplexen Verknüpfungen der Oszillatoren (bzw. Operatoren) sowie den oftmals drastischen und schwer vorhersehbaren Änderungen im Klang selbst bei kleinen Wertänderungen geschuldet ist. Allerdings haben sich die Hersteller von FM-Synthesizern auch nie sonderlich bemüht, die FM-Synthese beherrschbar zu machen. DX7 & Co. mussten mit zwei Reihen Tastern und einem einzigen Daten-Fader auskommen. Mit den Makro-Reglern des Yamaha DX200 gab es einen ersten Schritt in die richtige Richtung, aber das kam wohl noch zu früh und die Musikerwelt war noch nicht bereit für ein FM-Revival. Findige Drittanbieter und Boutique-Hersteller versuchen aber in letzter Zeit mit beispielsweise einem üppig reglerbestückten Controller für den Yamaha Reface DX oder kleinen Desktop-Synthesizern wie dem Preen- FM, diese potente Syntheseform wieder populär zu machen. Und auch die innovativen Schweden von Elektron zeigen mit Digitone und Model:Cycles neue Ansätze für FM-basierte Klangerzeuger.
Megadrive-Chips
Dass jetzt auch Twisted Electrons einen interessanten FM-Synthesizer beisteuern, ist wenig verwunderlich. Schließlich sind die Franzosen bekannt dafür, Chips aus alten Heimcomputern und Spielekonsolen in ihre Klangerzeugern zu inte- grieren. Und viele dieser alten Chips be- dienten sich zur Erzeugung von Sounds und Soundtracks der FM-Synthese. Konkret sind in MEGAfm (Jetzt auf Thomann ansehen) zwei aus der Sega Megadrive/Genesis Spielkonsole bekannte Yamaha YM2612 Chips verbaut, deren interne Wandler mit ihrer niedrigen Auflösung auch die grundlegende Klangästhetik vorgeben: Blitzsauber aufgelöste, glasklare Sounds bleiben modernen FM-Synthesizern wie Yamaha Montage und Reface DX vorbehalten, während MEGAfm eher die raue und ungehobelte Seite abdeckt.
Schick und kompakt
Der MEGAfm ist kleiner, als wir aufgrund der Fotos vermutet hatten. Mit Abmessungen von 30 x 13 x 5 cm passt der kompakte Synthesizer auf jeden Desktop und in jede Gigbag. Das schwarze Gehäuse aus gebürstetem/eloxiertem Aluminium sieht schick und edel aus, mit 1,5 kg Gewicht steht es stabil auf dem Tisch. Vierzehn runde geriffelte Metallpotis sind fest mit dem Gehäuse verschraubt, ermöglichen präzise Einstellungen und bieten gute Haptik.
Die 32 (!) Fader sind zwangsläufig et- was kleiner ausgefallen, bieten aber einen angenehmen Widerstand und lassen sich zumindest mit normal-großen Händen noch recht gut bedienen. Auch die Hap- tik der fünfzehn Taster mit deutlich spürbaren Klick gefällt uns, ebenso wie die gut sichtbaren Statusanzeigen mit einer LED für jeden Taster. Insgesamt können wir MEGAfm damit volle Bühnentauglichkeit bestätigen.
Volle MIDI-Kontrolle
Alle Anschlüsse befinden sich auf der Rückseite. Hier schließen Sie das mitgelieferte externe Netzteil zur Stromversor-gung an. Über zwei Mono-Klinkenausgänge nehmen Sie das Audiosignal ab, daneben befindet sich der Stereo-Kopf- hörerausgang. Angesteuert wird der kleine Synthesizer über den MIDI-Eingang in voller DIN-Größe. Die weitere MIDI-Buchse kann Signale weiterleiten oder als Ausgang genutzt werden. Letzteres ist insbesondere deshalb interessant, weil alle Regler und Fader MIDI-Controller senden. So kann der MEGAfm nicht nur komplett in der DAW automatisiert werden, sondern auch als Controller für Plug- ins genutzt werden!
FM mit 4 Operatoren
Da im MEGAfm zwei Chips mit jeweils 6 Stimmen verbaut sind, ist der kleine Synthesizer insgesamt 12-stimmig. Die Klangerzeugung bietet vier Operatoren, die sich über acht vorgegebene Algorithmen verknüpfen lassen. Zur Erinnerung: Der FM-Urvater DX7 verfügt über 6 Operatoren und 32 Algorithmen und ermöglicht damit komplexere Klänge. Vorteil der Beschränkung auf vier Operatoren ist allerdings, dass das Ganze übersichtlicher und leichter beherrschbar ist. Yamaha hat bereits früh mit DX21, FB01 oder TX81Z (Stichwort: Lately Bass) 4OP-Synthesizer herausgebracht, auch der neuere Reface DX kommt mit dieser Anzahl aus. Da jeder Operator je nach gewähltem Algorithmus Klangerzeuger oder Modulator sein kann und über eine eigene Hüllkurve verfügt, sind auch mit 4OP-Synthesizern die klanglichen Möglichkeiten sehr weitreichend.
8 Algorithmen mit Feedback
Links oben wählen Sie aus den acht verfügbaren Algorithmen aus. Dies geschieht wie nahezu alles beim MEGAfm ohne Umwege mit einem dezidierten Regler. Alle Algorithmen sind groß auf das Gehäuse aufgedruckt und mit eigener LED versehen, sodass Sie direkt sehen können, welcher Algorithmus aktuell gewählt wurde. Mit einem weiteren Poti regeln Sie das Feedback, also die Stärke, mit der Operator 1 mit sich selbst frequenz- moduliert wird.
Direkte Bedienung
Jeder Operator lässt sich über jeweils acht Fader einstellen. Wichtig ist der Multiplikator, also das Frequenzverhältnis im Vergleich zu den anderen Operatoren. Hiermit stellen Sie die Weichen zwischen tiefem Bass und hohem Lead, harmonisch-schön oder metallisch-schräg. Ein Detune-Fader ist für die Feineinstellung zuständig. Der Lautstärkeregler hat ebenfalls eine entscheidendere Funktion als bei klassisch-subtraktiven Synthesizern, da er je nach gewählter Funktion des Operators die Stärke der Frequenzmodulation bestimmt. Für dynamische Verläufe verfügt jeder Operator über eine ADSSR-Hüllkurve für die Lautstärke bzw. den Modulationsverlauf, die gegenüber einer klassischen ADSR-Envelope um eine Sustain-Release-Phase für Drones und modulierende Pads erweitert wurde. Zu beachten ist allerdings, dass sich Änderungen im Kurvenverlauf immer erst bei der nächsten gespielten Note auswirken und die prozessorbedingt niedrige Auflösung bei vielen Parametern zu hörbarem Stepping führen kann.
Dieser direkte Zugriff auf alle wichtigen klangbildenden Parameter aller Operatoren gleichzeitig ist ein Novum im Bereich der FM-Synthesizer und lädt zum Experimentieren und Ausprobieren ein.
3 flexible LFO
Doch damit haben sich die Entwickler des MEGAfm nicht zufrieden gegeben, sondern das Konzept noch um drei LFO erweitert. Und diese tieffrequenten Oszillatoren haben es in sich. Zur Auswahl stehen die Wellenformen Rechteck, Drei- eck, Sägezahn und Noise/Random, die passend zum Gesamtkonzept über eigene Anwahl-Taster nebst LED verfügen. So sehen Sie direkt, welche Wellenform aktuell gewählt wurde. Random kann auf eine begrenzte Anzahl an Zufallswerten eingeschränkt werden, die sich immer wiederholen und dann als eine Art Stepsequenzer genutzt werden können. Dank Retrigger-Taster und abschaltbarer Loop-Funktion lässt sich jeder LFO auch als Mini-Hüllkurve benutzen, zudem ist das Tempo zur MIDI-Clock synchronisierbar. Geschwindigkeit und Modulationstiefe sind separat einstellbar und lassen von einem anderen LFO modulieren, das erinnert dann schon an die Möglichkeiten eines dicken Modularsystems.
Frei zuweisbare Modulationen
Jeder LFO kann jedem Knopf und jedem Fader zugewiesen werden, mehrere LFO können sogar einen Parameter gleichzeitig modulieren. Ein Druck auf den Chain-Taster reicht und schon ist der LFO dem zuletzt bewegten Fader oder Poti zugeordnet. Haben Sie einmal den Überblick verloren, löscht ein langer Druck auf den jeweiligen Taster alle Zuordnungen zu dem zugehörigen LFO. Die Modulationstiefe eines LFO lässt sich per Anschlagdynamik, Modulationsrad oder Aftertouch steuern. Eine direkte Modulation eines Parameters per Velocity ist nicht möglich, hierfür muss immer ein LFO geopfert werden. Das ist in unseren Augen etwas unglücklich gelöst, da die FM-Synthese be- sonders vom dynamischen Spielen profitiert.
Zusätzlich zu den drei LFO gibt es einen weiteren LFO, der allein für die Tonhöhenmodulation (Vibrato) zuständig ist und ebenfalls zur Clock synchronisiert werden kann.
Mono oder stereo
Der untere Bereich ist für die globalen Einstellungen reserviert. Im Voicing-Bereich wählen Sie aus, wie die maximal zwölf Stimmen bzw. die beiden Chips verteilt werden sollen. Beide Chips können ihre Stimmen gemeinsam auf einem Mono-Ausgang ausgeben oder getrennt über beide Monoausgänge für spannende Stereo-Effekte. Bei 12-stimmiger Polyphonie werden die Stimmen abwechselnd links und rechts wiedergegeben. Im 6-stimmigen Wide-Modus wird jede Stimme von beiden Chips gleichzeitig wiedergegeben, die Verstimmung zwischen den Chips ist mit dem Fat-Knopf regelbar. So sind breite Soundwände schnell erstellt. Der Fat-Regler funktioniert grundsätzlich in jedem Modus und verstimmt bis zu 1 Halbton oder sogar bis zu einer Oktave!
Schräg oder breit
Dual ch3 nutzt eine Besonderheit des Chips aus, in diesem Modus stellen Sie die Frequenzen der Operatoren frei und nicht im Verhältnis zueinander ein. Das führt zu sehr schrägen, unharmonischen Ergebnissen und ist vor allem für Percussion- und Effektsounds interessant. Unisono schichtet alle 12 Stimmen zu einem monophonen Sound, der sich mit dem Fat-Regler zu einem megabreiten Akkord stimmen lässt – bestens geeignet für cinematische Trailer. Als Zweitfunktion lässt sich mit dem Regler auch Glide, also das fließende Gleiten von einer Tonhöhe zur nächsten einstellen.
Arpeggiator mit Stepsequenzer
Sogar eine praktische Spielhilfe ist in Form eines Arpeggiators/Stepsequenzers im MEGAfm (Produkt auf der Thomann Webseite ansehen) verbaut. Fünf Abspielrichtungen sind wählbar: Rauf, Runter, Rauf-Runter in Schleife sowie zwei Zufallsmodi, die entweder die gespielten Noten durcheinanderwürfeln oder komplett zufällige Noten spielen. Nach Druck auf den Record-Taster können Sie bis zu 16 Noten inkl. Pausen Step-by-Step per MIDI eingeben und anschließend abspielen. Arp und Sequenzer lassen sich zur Clock synchronisieren, im zweiten Sequenzermodus wandert die Sequenz bei jedem Tastendruck einen Step weiter und Sie können Ihren eigenen Rhythmus gestalten.
600 Speicherplätze
Eigene Sounds lassen sich auf bis zu 600 Speicherplätzen sichern, also jede Menge Platz für Ihre Kreationen. Hier gelangt das 2-stellige 7-Segment-Display natürlich bei der Anzeige an seine Grenzen, und Sie müssen die LFO-Wellenform-Taster mit einbeziehen. Etwas fummelig, weil ursprünglich nur 99 Speicherplätze geplant waren, aber das nehmen wir für die vielen zusätzlichen Speicherplätze gerne in Kauf.
Kein Schönling, aber mit Charakter
Flexible Klangerzeugung, umfangreiche Modulationsmöglichkeiten und direkter Zugriff auf alle Parameter, das klingt fast zu gut, um wahr zu sein. Und tatsächlich stellt sich beim Praxistest zunächst ein wenig Ernüchterung ein. Denn im Gegensatz zu einem subtraktiven Analogsynthesizer wie dem Minimoog ist ein FM-Synthesizer kein Sweetspot-Klangerzeuger. Wenn Sie hier einfach drauflos schrauben, kann das Ganze auch schnell furchtbar unmusikalisch klingen oder in digitalen Störgeräuschen enden. Ein wenig Disziplin und zumindest rudimentäre Grundkenntnisse der FM-Synthese und der Verknüpfung der Operatoren sind daher von großem Vorteil, wenn es nicht in einer experimentellen Geräuschorgie enden soll. Hinzu kommt noch, dass MEGAfm nicht die Transparenz eines Reface DX besitzt, sondern immer eine ordentliche Portion digitalen Schmutz hinzufügt. Glasklare Pads und E-Pianos oder staubtrockene lupenreine Bässe kriegt man mit dem kleinen Synthesizer nur schwer hin. Wer die anderen Produkte von Twisted Electrons kennt, weiß aber ohnehin Bescheid über deren Vorliebe für Instrumente mit dem Lo-Fi-Charme von Chipsounds. Und so tönt auch MEGAfm roh und ungehobelt aus den Boxen: Druckvoll und mit Charakter, aber auch hörbarem Aliasing.
Mit einer üppigen Ausstattung an Bedienelementen bietet MEGAfm (Jetzt bei Thomann bestellen) erstmals direkten Zugriff auf alle Parameter der FM-Synthese und lädt damit zum Experimentieren ein. Basierend auf alten Yamaha-Chips klingt der 4OP-Synthesizer crunchy und vintage, die Klangpalette reicht aber weit über die typischen Chipsounds hinaus und erlaubt auch alle klassischen FM-Klänge mit ordentlich Lo-Fi- Charme. Der rohe und druckvolle Sound mit viel Charakter ist eine interessante Ergänzung zu dem Hochglanzklang moderner Synths und Plug-ins, die umfangreichen Modulationsmöglichkeiten mit drei LFOs und volle MIDI-Automation sorgen für jede Menge Bewegung.
Zweite Meinung gefällig? Bei unseren Kollegen von Amazona können Sie einen weiteren Testbericht zu diesem Produkt lesen.
- direkte Bedienung
- flexible Klangerzeugung
- frei zuweisbare LFO
- Arpeggiator/Sequenzer
- Stereo-Optionen
- komplett MIDI-steuerbar
- 600 Speicherplätze
- Velocity nur per LFO