Marco Bailey ist die ewige Flamme des Techno-Undergrounds, ein Künstler, der als DJ und Produzent bleibende Fußspuren hinterlassen hat. Tobias Fischer sprach mit ihm über seine persönliche Geschichte und DJ-Philosophie und darüber, wie wichtig es ist, Ahnung zu haben.
Beat / Mit deiner Party-Reihe „Materia“ feierst du bereits eine erfolgreiche zweite Saison auf Ibiza. Die Krönung einer langen Reise?
Marco Bailey / Auf jeden Fall. Vor 22 Jahren erschien meine erste Veröffentlichung „Be Free“ auf Dance Opera Records, eine Kollaboration mit meinem Freund DJ Rope. Das war eine Initialzündung. Ich habe gleich meinen ersten Auftritt in Spanien bekommen und seitdem toure ich ununterbrochen durch die ganze Welt.
Beat / Weisst du noch, wann du als erstes Mal hinter den Turntables standst?
Marco Bailey / Alles hat 1988 in einem kleinen Club in Belgien angefangen. Ich bin nur selten ausgegangen und habe schon schnell bemerkt, dass ich lieber hinter den Decks als auf dem Dancefloor stehen wollte. Helden hatte ich nicht und zunächst war meine Leidenschaft für Motorcross-Rennen größer. Als ich dann mit 17 einen ziemlich schweren Unfall hatte, war es damit vorbei und ich entdeckte meine Liebe zur Musik. Zwischen 1988 und 1994 habe ich aufgelegt. Dann ging es mit meinen eigenen Tracks los.
Beat / Dein Setup sieht recht umfangreich aus im Vergleich mit dem der meisten Kollegen.
Marco Bailey / Als ich angefangen habe, standen mir nur zwei Turntables und ein Rodec MX18 zur Verfügung. Zwischendurch habe ich dann recht lange mit Traktor gearbeitet. Inzwischen bin aber tatsächlich umgeschwenkt auf drei CDJs, einen Mixer und verschiedene Effekt-Einheiten.
Beat / Warum?
Marco Bailey / Weil ich finde, dass du mit einem Programm wie Traktor ein wenig die Beziehung zum Publikum verlierst. Du beschäftigst dich mehr mit deinen Effekten und Loops, statt zu sehen, was bei den Tänzern passiert. Und es zahlt sich nicht unbedingt aus: Viele Gäste wollen lieber tolle Musik hören, statt fünf übereinander geschichtete Loops.
Beat / Man kann es natürlich auch andersherum sehen: Software hat das DJing viel einfacher gemacht. Jeder kann heute ein DJ sein.
Marco Bailey / Ja, und ich hoffe wirklich, dass es dabei nicht seine Relevanz einbüßt. Es wäre schlimm, wenn wirklich jeder ein DJ sein könnte, wie du sagst, einschließlich meiner Großmutter. Für mich sind die Ohren das Entscheidungskriterium. Wenn du deine Ohren nicht mehr benutzen musst, um aufzulegen, dann verlieren wir unseren Zugang zu der ursprünglichen Bedeutung dieser Kunst. Und manchmal ist es schon recht kurios, wer heutzutage als DJ gilt.
Beat / In welcher Hinsicht?
Marco Bailey / Du erkennst jemanden, der das Handwerk wirklich beherrscht, daran, dass du ihm eine Platte in die Hand drücken kannst, die er vorher noch nie gehört hat, und er wird sie perfekt in sein Set integrieren – ohne jegliche Sync-Tools. Ein gutes Set besteht aus meiner Sicht auch nicht aus den Stücken, die du in den Charts findest. Ein DJ sollte sein Publikum mit seiner ganz persönlichen Auswahl zum Tanzen bringen können.
Beat / Wie setzt du das in die Praxis um?
Marco Bailey / Ich plane keines meiner Sets exakt vor. Du musst ein Gefühl dafür entwickeln, aus dem Augenblick heraus zu entscheiden, was du als nächstes auflegst.
Beat / Das heißt, du bereitest gar nichts vor?
Marco Bailey / Doch, natürlich stelle ich vor einem Gig eine Auswahl von Tracks zusammen, die bei vorigen Auftritten auf eine positive Resonanz gestoßen sind und eine Selektion aus allem, was ich an neuer Musik geschickt bekommen, oder einfach nur zu Hause und im Studio gehört habe. Aber ich würde niemals so weit gehen, diese Musik in eine genaue Reihenfolge zu bringen. Deswegen liebe ich Sven Väth, Ricardo Villalobos und jemanden wie Oscar Mulero, der oftmals zwei Stunden lang Ambient spielt, bevor er auf harten Techno umschwenkt. Ich schätze auch DVS1 sehr für seine DJ-Technik und seine Musikauswahl. Er spielt abgefahrene Sachen und schafft es dennoch, die Tänzer für sich zu gewinnen.
Beat / Gibt es zu viele DJs?
Marco Bailey / Ich würde auf jeden Fall sagen, dass ich es bedenklich finde, wenn man als DJ keine Ahnung hat, wie man Musik macht oder mixt. Und genau das kommt weitaus öfter vor, als man denkt. Was sicherlich auch daran liegt, dass es einigen Promotern schlicht egal ist, solange sie weiterhin ihre Tickets verkaufen. Leider führt das in letzter Konsequenz zu einer Verwässerung der Szene und einem Verlust an Originalität. Ich finde es auch langweilig, wenn manche von diesen Künstlern zu einem Festival kommen, ihre Gage einstreichen und dann einfach nur 2-3 Stunden lang Loops spielen. Das kann doch auch für das Publikum kaum sehr inspirierend sein.
Beat / Was inspiriert das Publikum deiner Meinung nach?
Marco Bailey / Exakt den Punkt zu treffen zwischen ihren Erwartungen und etwas Neuem. Manchmal kann das wie ein Kampf sein, den man auszutragen bereit sein muss. Aber du bist kein Gott. Wenn die Besucher nicht auf deiner Wellenlänge liegen, kannst du das nicht mit der Brechstange ändern.
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