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Originalität in der Musik?! Alles gesagt!?

Originalität gilt gemeinhin als das wichtigste Gut in der Musik. Sie steht für Kunst ohne Einschränkungen, für eine Unabhängigkeit von wirtschaftlichen Interessen, für persönlichen Ausdruck statt zwanghaftem Schielen nach Trends. Gleichzeitig scheint sich Originalität bereits seit einigen Jahren in der Krise zu befinden. Aber warum?

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Zum einen, weil übereifrige Labels und Journalisten den Begriff inzwischen derart inflationär benutzen, dass der genaue Bedeutungsgehalt zunehmend unschärfer wird. Zum anderen, weil die Flut an Veröffentlichungen gerade im Bereich elektronischer Musik die Möglichkeit, wirklich originelle Musik zu erschaffen, immer wieder aufs Neue hinterfragt: Wer sagt einem, dass nicht gerade irgendjemand irgendwo auf der Welt genau den selben Beat bastelt, die selben Sounds programmiert, die gleiche Melodie einspielt? Wie viel Freiraum besteht noch, aus der Masse hervorzustechen, wenn, wie es Monty Adkins hier auf den Punkt bringt, jede Woche tausend neue Dubstep-Tracks auf Soundcloud hochgeladen werden? Und: Wie lässt sich innovative Arbeit einem Publikum vermitteln, das ohnehin schon durch die Masse an Alben, EPs und Singles überfordert ist?

Wir haben einige führende Produzenten zu ihrer Perspektive zum Thema Originalität befragt: die Antworten sind extrem vielseitig und reichen von konkreten Ideen dazu, wie konzeptorientierte Arbeit zu originellen Tracks führen kann, über ein Manifest, sich einfach auf sich selbst zu verlassen bis hin zu der Erkenntnis, dass Musiker sich in Sachen Originalität gegenüber Wissenschaftlern immer noch nicht zu Verstecken brauchen. Zwei Einsichten immerhin verbinden alle diese Künstler: Ihre Überzeugung, dass Originalität auch in Zukunft wichtig bleiben wird. Und dass man sie nicht erzwingen kann.

Aufgezeichnet von Tobias Fischer

Agoria - DJ, Produzent, InFiné-Labelgründer

Ein französischer Schriftsteller hat einmal gesagt: „Ein origineller Autor ist nicht einer, der andere überhaupt nicht imitiert. Sondern einer, der nicht imitiert werden kann.“ Diese Definition gefällt mir. Ich habe nur leider vergessen, wer das gesagt hat!

Vor kurzem habe ich mich mit dem bildenden Künstler Philippe Parenno unterhalten. In unserer Diskussion sind wir zu dem Schluss gekommen, dass Originalität letztendlich Verschmutzung ist. Schließlich entsteht sie an einem Überschuss; aus etwas, das du nicht mehr auslöschen kannst. Vielleicht ist sie eine Art „wertvolle Verschmutzung“?

Ich denke, man kann Originalität als ein Konzept betrachten. Oft steckt eine Methode hinter dem Wahnsinn. Exzentriker werden ja gerne als Künstler eingestuft. Aber ohne, dass eine Methode dahintersteht, bist du einfach exzentrisch, nicht originell. Ich unterhalte mich gerade mit dem berühmten Mathematiker Edward Frenkel, einem Professor an der Berkley-Universität und dem Autoren des Bestsellers „Love and Math“. Dabei reden wir darüber, wie man in der Musik die Vorstellung von Unendlichkeit umsetzbar und erfahrbar machen kann. Ich bin jetzt schon darauf gespannt, in welche Richtung sich das bewegen wird.

Es gefällt mir, dass die Verbindungen zwischen Künstlern und der Equipment-Industrie enger werden, dass man Ideen und Wünsche teilt. Kooperation ist die beste Methode, kreativ zu sein, der beste Weg, sich zu emanzipieren und wirklich originell zu sein. Daraus kann eine neue Generation von Produzenten entstehen, die online gegenseitig ihre technische Ausstattung austauschen, ihre Präferenzen, selbstgefertigte Presets, Sounds und Arrangements, um gemeinsam an globalen Alben zu arbeiten. Nur weil du eine Komposition für dich ganz alleine beanspruchst, wird sie nicht origineller. Wir sind als Elektronik-Musiker keine Pop-Sänger. Der Klang enthält unsere Originalität.

Aktuelles Album: "Impermanence" (auf Infiné)

Von der Redaktion empfohlener Inhalt

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Monty Adkins - Klangkünstler, Komponist, Sound-Philosoph

Originalität ist nicht unwichtiger geworden, aber es ist schwieriger, sie zu erreichen. Allgemein gesagt, ist Originalität mit dem Anspruch verbunden, dass die Grenzen der musikalischen Sprache erweitert werden. Und aus meiner Sicht sind diese Grenzen in gewisser Weise ausgelotet. Originalität kann aber darin bestehen, innerhalb des bestehenden Raums neue Wege zu schaffen, mit denen bereits bekannte Elemente auf eine unerwartete Weise neu verbunden werden. Manche dieser Elemente können rein musikalisch sein, andere jedoch können Vorstellungen aus der Computerwissenschaft, evolutionärer Biologie und künstlicher Intelligenz als Modelle nutzen. Ich glaube aber, dass man auch sich zu sehr darauf konzentrieren kann, originell zu sein. In der Wissenschaft spricht man schon von Originalität, wenn du dem bestehenden Wissen eines Gebiets 0,1% oder sogar weniger hinzufügst. Es kommt vielleicht einmal in unserer Lebenszeit vor, dass ein komplett neues Forschungsfeld aufgetan wird.

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Genau wie in vergangenen Epochen gibt es heute auch viele Musiker, die gute Musik machen, die letztendlich nicht bemerkenswert ist. Wenn jede Woche tausend Dubstep-Tracks auf Soundcloud hochgeladen werden, bedienen die meisten davon ganz selbstverständlich Klischees.

Wenn es um die Technologie für Originalität geht, ist kein Tool neutral. Alles wurde mit einem Ziel entworfen und als Musiker kann man dieses Ziel nutzen oder sich ihm widersetzen – ganz so, wie es für die eigene Musik am sinnvollsten ist. Ich kenne viele Leute, die darauf beharren, dass man selbst Software in MAX oder Supercollider von Grund auf an neu programmieren muss, um wirklich originell zu sein. Das sehe ich anders. Ich denke, es geht nicht darum, sich von den Tools lenken zu lassen. Sondern vielmehr darum, genug Tools zu kennen, um dasjenige auszuwählen, das für deine Aufgabe am besten geeignet ist.

Aktuelles Album: „Lépidoptères“ (aufempreintes DIGITALes)

Pan-Pot - DJ-Duo, Produzenten, Klangperfektionisten

Thomas: Wenn du jung bist, wirst du wahrscheinlich leichter von etablierten Künstlern beeinflusst. Du bewunderst das, was sie bereits erreicht haben. Im Laufe der Zeit wirst du dann sicherer darin, deine eigenen Ideen umzusetzen. Ich war persönlich schon immer ein großer Fan von guter, aber nicht überproduzierter Musik mit schmutzigen Sounds, die sich ein wenig eigenständiger anhört als Pop-Musik. Dabei spielt Originalität eine wichtige Rolle. Sie entscheidet darüber, wie unverkennbar deine Tracks sind.

Tassilo: Originalität bezieht sich auch auf Kontinuität. Es sieht zwar so aus, als ob die beiden Begriffe sich widersprechen. Aber ich meine, dass eine solide Basis es einfacher macht, kreativ zu arbeiten. Und sie macht es anderen auch leichter, dir zu folgen und dich zu verstehen.

Thomas: Andererseits brechen wir auch gerne aus bestehenden Genre-Limitierungen aus. Tassilo hat einen Background in Hip-Hop und ich unter anderem in Drum'n'Bass. Das hört man beispielsweise in unserem Kepler „Dubstep“ Track. Dafür haben wir von den Techno-Fans nicht nur positives Feedback bekommen. Trotzdem müssen wir das manchmal einfach machen.

In Sachen Technik brauche ich Tools, mit denen ich meine Ideen schnell in den Sequenzer bekomme. Tausende Knöpfe ohne große Bedeutung sind nichts für mich. Da habe ich meine Idee schon verloren, bevor etwas passiert.

Tassilo: Deswegen funktionieren wir auch so gut als Team. Wir setzen Ideen schnell in Sounds um, nachher aber nehmen wir uns auch die Zeit, ihnen das bestmögliche Engineering angedeihen zu lassen. Es hilft, dass wir dafür zwei separate Studios haben.

Aktuelle EP: "Win Some" (auf Mood Records)

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Max Cooper - Elektronik-Forscher, Klangkünstler

In der Vergangenheit habe ich schon mal gezielt Musik für bestimmte Szenen gemacht. Dabei war meine Originalität durch die Grenzen des Genres festgelegt: Dieser Drum-Sound muss da hin, dieser dorthin. Die BPM dürfen sich nicht aus diesem Bereich entfernen. Aber irgendwann haben mich diese Regeln gelangweilt. Also habe ich in den letzten Jahren meinen Horizont erweitert, mit generativen Elementen gespielt, mit Vocals, Jazz-Musikern, klassischen Einflüssen, Glitch, ungewöhnlichen Rhythmen. Und ich habe einen experimentelleren Ansatz zugelassen.

Es steht dir ein nahezu endloser Raum an Parametern zur Verfügung, die man mit den unterschiedlichsten Systemen erforschen kann. Das erlaubt es dir, die Techniken zu finden, die für dich funktionieren. Und indem du immer wieder neue Experimente machst und weitere Schritte hinein in diesen Parameter-Raum nimmst, kannst du irgendwann den höchsten Gipfel erklimmen. Das ist auch eine Frage der Produktivität. Wenn du deinen Ansatz jedes Mal völlig zufällig neu erstellst, wird es sehr schwer, durchgängig gute Ergebnisse zu bekommen oder einen erkennbaren Sound.

Ein aus meiner Sicht sehr guter Ansatz besteht darin, mit Konzepten zu arbeiten. Mein aktuelles Album „Human“ war sehr von einem überkuppelnden Konzept getragen und alles musste sich ihm unterordnen. Ich habe jeden Track so angelegt, dass er in die dahinter stehende Story passt. Diese Idee hat mich dazu angespornt, ein paar alte Instrumente aus der ganzen Welt zu verwenden und damit alle möglichen Melodien und Loop-Längen zu basteln. Gleichzeitig habe ich aber auch darauf geachtet, dass alles zusammenpasst.

Ich frage mich heute oft, an welcher Stelle ich teilweise zufällige Kontrollmechanismen in meinen Projekten verwenden kann. Damit gebe ich zwar etwas Kontrolle über jedes einzelne Detail ab. Dafür kann ich mich aber mehr auf das sich verändernde System konzentrieren – und auf seine Grenzen.

Aktuelles Album: „Emergence“ (auf Mesh)

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Adam X - DJ, Pionier, Techno-Legende

Man sagt ja gemeinhin, das Techno nur funktionelle Musik ist, die DJs in ihren Sets verwenden können. Ich kann mich der Vorstellung nicht anschließen. Ich bin sehr konzeptionell in meinem Ansatz, meine Musik soll sich immer von dem unterscheiden, was ich oder jemand anders bereits gemacht hat. Ich setze mich aber nicht hin und sage mir, dass ich originell sein muss. Ich mache einfach, was ich immer mache. Ich habe auch überhaupt kein Problem damit, wie viele Produzenten heutzutage Musik veröffentlichen. Es beeinflusst jedenfalls meinen eigenen Output nicht.

Ich bin seit 25 Jahren ohne Unterbrechung Techno-DJ. Ich habe einmal einen Plattenladen gehabt, der so ziemlich jede Veröffentlichung des Genres der ersten 15 Jahre Techno-Geschichte verkauft hat. Im Laufe dieser Zeit habe ich das Aufkommen und Abflauen unzähliger Stilrichtungen und Ansätze beobachtet. Ich weiß also, was bereits versucht wurde und was wirklich neu ist. Jüngeren Produzenten fällt es schwerer, originell zu sein, weil viele von ihnen nicht die komplette Techno-Geschichte kennen – oder auch von anderen Musikrichtungen. Manchmal entdecken sie im Studio einen Sound und meinen, dass er originell ist. In Wahrheit aber wurde er schon vor 20 Jahren von jemand anders aufgenommen.

Mir persönlich hat Ableton viele Träume meiner eher von Hardware geprägten Vergangenheit erfüllt. Es hat mir die Tür in eine andere Dimension von Klang und Raum geöffnet. Wenn ich jetzt Musik mache, erscheinen mir die Möglichkeiten endlos. Früher habe ich immer nur Hardware ein- und ausgestöpselt, um Ideen zu erproben. Der physische Studioraum hat mich eingeschränkt. In der virtuellen Welt hingegen passt ein riesiger Aufnahmeraum in einen 13-Zoll-Laptop.

Aktuelles Album: „Irreformable“ (auf Sonic Groove)

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Ben Lukas Boyen / Hecq - Produzent, Sounddesigner, musikalischer Grenzgänger

Meine Vorstellung von Originalität hat sich über die Jahre entwickelt. Es gab immer so viel zu entdecken. Eine gewisse Zeit lang habe ich in jeder Platte etwas Faszinierendes gefunden. Sobald ich bestimmte Hörgewohnheiten für mich entwickelt und eine ziemlich umfangreiche Plattensammlung aufgebaut hatte, gab es dann einen Punkt, ab dem mein klangliches Blickfeld sich eher auf die Nischen konzentriert hat, die weniger ausgeleuchteten Orte einer ohnehin schon ziemlich obskuren Musiklandschaft – um so seltsamer, um so besser. Es geht um das unfassbare Element, die Frage, wie um alles in der Welt jemand eine bestimmte Idee entwickelt und sie so einzigartig, originell macht, dass du sie nie mehr aus dem Kopf bekommst … Aber all das ist äußerst subjektiv. Es gibt da keine letzte Wahrheit.

Der Wert von Originalität besteht für mich in Reduktion und Effizienz. Das mag seltsam klingen, da das Ziel meiner frühen Alben als Hecq darin bestand, die Arrangements mit so vielen Elementen und Edits wie möglich vollzustopfen. Irgendwann fühlte sich das mehr wie ein Sport als eine musikalische Notwendigkeit an, als ob ich mich hinter den unendlichen Möglichkeiten der Technologie versteckte.

Ich habe ein Interview mit oder einen Artikel über Arvo Pärt gelesen, einen der wenigen Komponisten, die ich unendlich verehre. Er sagt darin, dass er versucht, seine Musik so wenig wie möglich zu „dekorieren“. Alles in ihr sollte eine Bedeutung, Funktion und einen Grund haben. Das hat mich sehr tief beeindruckt und ich habe mich in die Idee von Musik als „Akupunktur“ verliebt, in der jedes Element einen bestimmten Nerv trifft und in der es kein Füllmaterial gibt, keine überflüssigen Teile. Erst wenn du das erreicht hast, kannst du die wahre Natur eines Songs und seine Absicht erkennen. Erst dann kannst du seine Originalität bewerten.

Aktuelles Hecq-Album: „Mare Nostrum“ (auf Hymen Records)

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Burnt Friedman - Musiker, Produzent, Groove-Forscher

Ganz zu Anfang habe auch ich andere Künstler aus Radio und Fernsehen imitiert. In meiner prägenden Phase zwischen 1975 und 1982 haben die Mainstream-Medien den Ton angegeben. Trotzdem sind auch damals während meiner Schulzeit schon Leute mit den neusten heißen Platten herumgelaufen, die sie gerade entdeckt hatten. Es war eine Phase vieler schneller, einschneidender Sprünge in meinem Geschmack und meiner musikalischen Entwicklung.

Als ich mein erstes Drumkit bekommen habe – das war, glaube ich 1980 – habe ich damit angefangen, mir selbst das Schlagzeugspielen beizubringen. Dabei habe ich die übliche Technik einfach als selbstverständlich vorausgesetzt. Schließlich war es wichtig, dass es auch wirklich wie ein amerikanisches Schlagzeug wirkte. Und ich war mir natürlich in keiner Weise der Tatsache bewusst, dass das mein Verständnis von Rhythmen vorherbestimmt hat. Wenn du nicht weißt, was du nicht weißt, ist der Geist am empfänglichsten für Ideologie.

Meine Sicht auf kreative Produktion hat sich geändert, als ich angefangen habe, bildende Kunst zu studieren. Bei einem Werk visueller Kunst ist es jedem in der westlichen Welt vollkommen klar, dass du Respekt verschenkst, wenn du andere, etablierte Künstler kopierst oder imitierst. Für Populärmusik aber scheint das meiner Meinung nach nicht zu gelten. Eher im Gegenteil: Fälschungen, Nachahmungen und sogar direkter Diebstahl sind unter Musikproduzenten sehr üblich. Es gibt ja viele Musiker, von beliebten Elektronik-Produzenten bis hin zu Vertretern neuer klassischer Musik, die behaupten, im Bereich der Komposition und des Klangs sei bereits alles gesagt. Als ob es keine Möglichkeit mehr gebe, ein originelles Stück Musik mehr zu erschaffen. Ich bin fest davon überzeugt, dass das Unsinn ist. Aber natürlich ist es eine wunderbare Ausrede, einfach Samples aus einem Archiv zu nehmen und damit die eigene bequeme Langeweile oder faule Vereinnahmungen zu begründen.

Für mich war es schon immer ein Unterschied, ob ein Stück Musik eine bezahlte Auftragsarbeit darstellt, wie zum Beispiel für einen Soundtrack, Werbung oder eine Imagekampagne, oder ob sie unabhängig entstanden ist – einfach nur seiner selbst willen. Keine Frage: Der Grat zwischen Design und Kunst ist ein sehr schmaler. Aber das heißt nicht, dass man ihn nicht erkennen kann.

Aktuelles Album: „The Pestle“ (auf The Latency)

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Cristian Vogel - Komponist, Produzent, Performer

Für mich ist Originalität mehr als nur ein Qualitätskriterium. Wie willst du damit beispielsweise Jamie Lidell bewerten, der eine Coverversion von „Daddy No Lie“ aufgenommen hat, bei der er den KLANG einer Sun-Ra-Aufnahme nachahmt? Oder wie willst du damit Sampling bewerten? Die einzelnen Elemente, die beim Sampling verwendet werden, sind nicht originell. Die Kombination kann aber sogar sehr originell sein. Oder was ist mit Audiosoftware, die Hardware imitiert? Unsere übliche Vorstellung von Originalität ist ein alter Hut. Wenn wir sie in der digitalen Welt effektiver machen wollen, müssen wir ihr mehr Dimensionen zugestehen. Die Achse von „originell“ bis „unoriginell“ reicht nicht mehr aus. Wie wäre es mit einer Achse von „Innovation“ bis „Kopie“? Oder von einer essentiellen „Figur“ bis hin zu einem reinen „Hintergrundelement“?

Bevor ich einen Preset-Sound verwende, mache ich mir Gedanken über das darin enthaltene Wissen. Ich denke darüber nach, wie Vögel alle in die gleiche Richtung fliegen, ohne sich der Tatsache bewusst zu sein, dass sie Teil eines Schwarms sind. Manchmal fühlt es sich behäbig an, einen Piano-Sound einfach nochmal zu verwenden. Manchmal fühlt es sich an wie ein Geniestreich. Die Muster, die darüber entscheiden, welches Empfinden das richtige ist, sind tief – und ich habe keinen Einfluss darauf.

Jeder, der sich schon einmal ernsthaft mit Improvisation beschäftigt hat, hinterfragt, worin der eigentliche kreative Akt besteht, auf was für einem Zeitstrahl er stattfindet. Gibt es eine zwingende Verbindung zwischen der Absicht und Handlung des Künstlers und der anschließenden Wahrnehmung? Es scheint mir, als sei die Dauer eines originellen Augenblicks komplett zufällig. Manchmal hat ein einziger solcher Augenblick eine ganze Karriere möglich gemacht.

Aktuelles Album: „Mist Tape“ (auf The Tapeworm)

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Dieser Artikel ist in unserer Heft-Augabe 110 erschienen.

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