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Symbiose aus Techno und Klassik: Marc Romboy im Gespräch

Marc Romboy hat so ziemlich die ganze Klangreise und Geschichte der elektronischen Tanzmusik miterlebt. Ob Techno, House, Electronica oder die Fusion mit Philharmonikern, immer sucht er neugierig weiter. Am liebsten im Verbund mit anderen Musikern. Wie das mit seinen „Techno Friends“ funktioniert, weiß er längst. Auf seine jüngste Reise begab er sich mit klassischen Musikern. Zum Album „Voyage De La Planète“ sprach Beat mit ihm über neue künstlerische Herausforderungen, das Verlassen der Komfortzone und die Synergien seines letzten Albums.

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Anfang der 90er Jahre zählte er mit seinem Label Le Petit Prince zu den wichtigsten Machern der frühen Techno- und Trance-Szene. Nach erfolgreichem Ausflug in poppigere Dance-Gefilde ging es für ihn – das ist System – weiter. Er lebte seine persönlichen Sound-Wurzeln aus Classic-House, Chicago-House und Detroit-Techno aus, gründete das Systematic Label. Das ging zügig auf weltumspannenden Siegeszug, mit Romboys Releases, Tracks von Robert Babicz, Kollabos mit Techno-Legenden wie Blake Baxter, und nicht zuletzt durch die soundtechnisch wegweisenden Singles und Alben mit Stephan Bodzin.

Der nächste Systemwechsel stand für Romboy nach dem 2011 erschienenen Album „Luna“ mit Bodzin an, eine Remix-Kollektion der breitbandigen Crème de là Crème in Sachen House, Techno und Electronica. Auf der warten Roman Flügel, Chris Liebing oder Moritz von Oswaldt den Stücken des dynamischen Duos auf. Das 2013er-Album „Taiyo“ von Romboy mit dem legendären japanischen Techno-Artist Ken Ishii trieb Romboy weiter auf seiner Reise zu einem System, das deutlich über die Track-Kultur der Tanzflure hinausragt: Konzepte, Alben, Konzept-Alben! „Das war kein reines Tanzalbum“, sagt er. „Da geht es auch um das Hören. Da leckst du Blut.“

Es geht, natürlich, auch im Club ums Hören, und doch, merkte Romboy, muss da mehr gehen. Seine Neugier schulte Romboy in der Kindheit an den großen Longplayern dieser Art. Musik von Pink Floyd, Kraftwerk oder Tangerine Dream, die mittels elektronischer Fusion in ein anderes Sound-All entführen. Nun geht es auch mit seinem letzten Album „Voyage De La Planète“ auf eine neue Reise. Besser als die Album-Presse kann man das neue Projekt ehrlich nicht beschreiben: Marc Romboy verschmilzt die fremdartigen, faszinierenden Klänge der elektronischen Musik mit der sublimen Schönheit der Klassik. Ergänze: mit einem neuen Ziel! Das peilt Intimität statt tänzerischer Massen-Rituale an: „Es geht darum, wirklich den Kopfhörer aufzusetzen und sich für 60 Minuten auf eine Reise zu begeben.“

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Interview mit Marc Romboy

Beat / Wie kam Dir die ursprüngliche Idee zum Album „Voyage De La Planète“?
Marc Romboy / Es ist schon so, dass mich die Underground-Dance-Szene irgendwann auch mal gelangweilt hat. Ich hatte in den letzten Jahren einfach so ein paar Aha-Erlebnisse auf Bookings, da fehlte mir die Begeisterung vom Anfang der 90er, die mich zur Musik gebracht hat. Da hab ich gedacht: ‚Du musst noch mal was anderes machen, auf die Dauer ist Dir Functional Club Underground dann doch zu wenig’.

Beat / Vervollständige dann jetzt bitte den Satz: „Früher war alles …“
Marc Romboy / … anders! (lacht)

Beat / Gut, akzeptiert. Denn ich denke mal, die ewige Leier vom Früher, in dem ja angeblich „alles besser“ war, und die man unter älteren Techno-Fans und -Machern im Nebensatz gern zu hören bekommt, die ist nicht exakt deine, oder?
Marc Romboy / Korrekt, ich denke doch eher nach vorne. Und ich mache den Sound in verschiedensten Formen und den Lifestyle nun ja auch schon 25 Jahre mit. Natürlich: Ich finde auch immer noch Sachen, die mich begeistern. Aber seltener, weil nun auch mal nichts grundlegend Neues passiert. Und – wenn ich das jetzt so sagen kann – für mich selber war das ein schwieriger Prozess, meine Komfortzone zu verlassen. Das ist nicht mal so eben gemacht. Ich bin ja auch auf dem Markt einkategorisiert: in Rahmen der Bekanntheit, eines typischen Sounds und so weiter. Klar war: Jetzt gehe ich mal einen anderen Schritt, bei dem ich mich fragen musste: ‚wie sehr mache ich jetzt was anderes? Als das Album begonnen wurde, schwebte mir eine 50/50-Situation aus Non-Dance und Dance vor. Als es fertig war, wurde mir klar: nein! Ich mache das nur zum Hören!

Beat / Warst du mit einer komplett neuen Arbeitsweise konfrontiert, samt all der Live-Instrumentalisten? Oder gab es zu deinem früheren, wie du sagst, funktionaleren Arbeiten gute Synergien?
Marc Romboy / Mein Ansatz ist ja, elektronische Musik und klassische Instrumente zusammenzubringen. Das geschah für dieses Album zunächst mal in ausgeweiteten Jams mit den Musikern. Das ist aber auch in meiner Solo-Studiopraxis der letzten zwei, drei Jahre die bevorzugte Herangehensweise. Teils manuell ohne MIDI gespielt, den Klick hintendran, nehme ich da beispielsweise sehr viel am Minimoog auf. Die Einzelspuren der Jams werden dann später in Ableton 9 weiterverarbeitet. Diese Mixtur aus klassischer und moderner Handhabe ist länger schon ein Aspekt, der mir gut gefällt.

Beat / Wie und mit wem wurde diese Mixtur ausgebaut?
Marc Romboy / Ich hatte ja vor einer Weile eine Einladung der Dortmunder Philharmoniker zu einer Kollaboration, bei der ich Werke von Debussy bearbeiten sollte. Dabei lernte ich Miki Kekenj, den Konzertmeister der Philharmoniker kennen. Wir wollten danach gerne etwas zusammen machen. ‚Wie machen wir das?‘, fragte er mich, und ich sagte: ,Wie man das so macht unter Techno Friends. Ich hab etwas aufgenommen, ein Demo. Guck doch mal, ob du dazu was spielen kannst.‘ Er dann: ‚Ja wie? Aber ich brauch doch Noten!‘ Klassische Musiker sind nicht gewohnt, einfach drauf los zu improvisieren. Das war für Miki eine Inspiration aus der Techno-Welt. Später haben wir dann auch zusammen produziert.

Beat / Ist das quasi die Blaupause für die weiteren Musiker-Einsätze gewesen?
Marc Romboy / Also zunächst haben wir ja mal einige Monate gejamt und eingespielt und ich habe später am Ableton gesessen. Das Album ist grob zwischen Sommer 2015 bis Frühjahr 2016 entstanden. Da waren neben Miki noch maßgeblich mein Techno-Freund Namito aka Ali Khalaj an den Synths beteiligt, und ein Streicher-Quartett. Die Arbeitsweise lief wie erzählt ab. Wöchentlich haben wir uns getroffen, um zu spielen, zu komponieren und uns gegenseitig zu inspirieren. Natürlich habe ich für die Skizzen vorher mit ein paar analogen Vintage-Schätzchen die richtigen Sounds und Vibes generiert! Schlussendlich hab ich dann die Stücke auch „in the box“ ausgearbeitet.

Beat / Was hören wir an Technik auf dem Album?
Marc Romboy / Das Album spielt ja bewusst mit dem Albumtitel und in vielen Song-Titeln immer wieder mit Science-Fiction-Motiven aus den 60ern und 70ern. Mich begeistern zum Beispiel Jules Vernes Erzählungen bis heute. Und analog zu der Zeit wurden bei diesem Album diverse Patterns uralter Drumcomputer eingesetzt, die haben einfach dieses Gefühl von dem schon Jean-Michel Jarre profitierte (grinst). Sounds aus dem Roland CR-78 ins Ableton gejagt, geloopt und modifiziert – und schon hast du den frischen Charme der alten Pattern. Auf „Atome De Danse“ kann man das hören. Auch die fast schon trashig anmutenden 70er-Geräte aus der Korg Minipops-Serie haben mir im Zusammenspiel mit modernen Plug-ins coole Sounds geliefert. Daneben habe ich auch spannende Reverbs eingesetzt: das AKG BX 20-Spring Reverb von meinem Freund Robert Babicz etwa, Kult! Das ist eigentlich ein Kleiderschrank, groß genug, um da deine Winterjacke reinzuhängen. Zu den echten Instrumenten gesellen sich die TR-8, CR-78, Minipops 7, Minimoog, Arturia, Oberheim und der unfassbare OB-6. Der markierte die allererste und einzige Fusion von Dave Smith.

Beat / Du schöpfst aus der Fülle. Was empfiehlst du den Newcomern, die sich heute ein Studio aufbauen wollen?
Marc Romboy / Also ich kann schon auch virtuelle Synthesizer und virtuelle Plug-ins heiß empfehlen. Eigentlich so gut wie alles von Arturia, insbesondere der Minimoog 5, auf dem ich schon vor zehn Jahren mit Stephan Bodzin viele Tracks gemacht habe, auch wenn das keiner glaubt. Da haben Leute schon fassungslos davor gestanden, wenn wir sagten, dass man mit virtuellen Synths gegen analoge anstinken kann. Oder man nehme den Arp 2600, den kannst du dir nicht leisten für 10.000 Euro. Bei Arturia gibt es für Einsteiger ab 99 Euro brauchbare Teile! Und ganz ehrlich: Ich weiß es nicht immer, ob ich analog oder digital höre – so romantisch bin ich dann doch nicht. Da ist – denke ich – viel Psyche dabei.

Beat / Wie hast du dir beim Album die „Romantik“ erhalten?
Marc Romboy / Na, wie gesagt, wir haben analog aufgenommen, sehr bewusst. Mit Geräten, die unmittelbar ein analoges Gefühl geben, entsprechende Synths oder etwa so schrottige, rauschende Mischpulte (lacht). Hör dir mal Track 3, also „L’universe Ètrange“ an, das rauscht schon übermäßig. Zu der Zeit hatte der Minimoog zudem seine Problemchen, und das darf man ruhig hören, das Maschinen-Leben.

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Das Maschinen-Leben und das Menschen-Leben gehen bei Romboy 3.0 gemeinsam auf eine fantasievolle Reise, die, das nebenbei bemerkt, auf alle Beteiligten mächtig wirkte. Der Wissens-Transfer und ei Neugier verlief in beide Richtungen. So wie der an Opluenz geschulte Konzertmeister Kekenj die Strenge maschineller Patterns zu schätzen lernte, hat auch Romboy nach eigener Aussage viel gelernt. Etwa, wie er im press sheet sagt: „dynamischer zu arrangieren und zu sagen: Jetzt gibt´s hier mal einen Moment Stille oder ein vorgetäuschtes Ende. Für jemanden, der mit Chicago House und DJ Pierre Arrangements aufgewachsen ist, wo nach acht Takten immer etwas anderes kommt, ist das was Neues.”

Dieser Artikel ist in unserer Heft-Ausgabe 141 erschienen.

www.facebook.com/marcromboyfanpage

Diskografie:

2005 | Gemini

2011 | Luna

2013 | Taiyo

2017 | Voyage De La Planète

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