Rechner werden schneller, Plug-ins ausgefuchster und DAWs umfangreicher. Um so erstaunlicher ist es, dass Hainbach seine Musik beinah ausschließlich mit Test-Equipment produziert, in Live-Streams darüber berichtet und dabei sogar noch Einnahmen generiert. „Nische“ ist das Zauberwort. Wir haben uns mit ihm über sein Konzept, Setups und das Monetarisieren von Streams unterhalten und dabei einige Tipps mitgenommen.
Beat / Wie kamst du auf die Idee, mit so ausgefallenen Klangerzeugern Musik zu machen und das live zu übertragen?
Hainbach / Ehrlich gesagt hat sich das so ergeben - ich hatte immer schon Interesse an seltsamen Instrumenten. YouTube habe ich anfangs zur Dokumentation verwendet, und dabei schnell bemerkt, wenn zur Musik Bild passiert, die Leute eher dranbleiben. Es gab immer mehr positives Feedback und so kam eins zum anderen.
Beat / Auf was sollte man sich als Streaming-Einsteiger einstellen?
Hainbach / Das Setup sollte erprobt sein und stabil laufen, bevor der erste Stream startet. Wichtig ist auch das Thema Latenz, denn wenn ein Stream aufgezeichnet wird, braucht der Rechner einiges an Power. Dazu kommt das Audio-Routing, also einmal ins Video-Setup und wieder zurück, da können schon mal spürbare Verzögerungen entstehen und Bild und Ton driften auseinander. Noch viel wichtiger ist aber die Videoqualität, denn hier ist die Toleranz des Publikums am niedrigsten. Deshalb war das erste was ich mir im Lock- down geholt habe, ein Elgato CamLink 4K, womit man eine gute Kamera mit HDMI out, wie etwa eine Panasonic GH5, anschließen kann. Problem: HDMI erzeugt wieder Latenz, so das die GH5 zu meinen Logitech C920 Webcams asynchron lief. Deshalb bin ich umgestiegen auf eine Komplettlösung von Blackmagic, dem ATEM mini. Das ist ein kleiner Switch, mit dem man vier HDMI Kameras wechseln und überblenden kann und der sich am Rechner als eine Webcam anzeigt. Wichtig ist auch eine Checkliste, da man so vie- le Sachen gleichzeitig machen muss. Und WLAN ausschalten! Denn für Live-Übertragungen ist eine Kabelverbindung über LAN Pflicht.
Beat / Macht es einen Unterschied, auf welcher Plattform man streamt?
Hainbach / Auf jeden Fall! Bei YouTube werden Streams nach der Live-Session beispielsweise nicht mehr promotet. Hierbei kann es dann hilfreich sein, den Stream zu schneiden und als neues Video einzustellen. Meine persönliche Hauptplattform ist YouTube, denn da ist mein eigentliches Publikum zuhause. Ich habe auch einen Kanal bei Twitch, würde diesen aber nur für passenden Content nutzen, wie etwa Gaming. Und dann natürlich Facebook, wobei hier die Interaktion am geringsten ist.Das aktivste Feedback bekommt man auf Twitch. Man kann auch überall parallel streamen. Colin Benders macht das zum Beispiel mit Restream: er nutzt dafür einen Subservice, der dann alles auf die Kanäle verteilt. Die Leute dort abzuholen wo sie stehen, macht auch absolut Sinn. Andererseits ist eine maximale Fokussierung auf einen Punkt dann eher schwierig, wie zum Beispiel bei der Analyse und beim Chat. Die Interaktion mit dem Chat ist beim Streamen total wichtig. Ich nutze nicht dieses Breitband-Angebot, sondern streame lieber dort wo ich alles zu- sammen habe – quasi auf einem Punkt. Ich bin ein sehr großer Freund davon, jedes Medium so zu spielen wie es ist.
Beat / Was würdest du sagen, ist der größte Unterschied zwischen YouTube und Twitch?
Hainbach / Twitch ist für Live-Streams gemacht, bei YouTube ist das ein Add-On. Wenn ich nur Streams machen würde, bei denen ich das Publikum mit einbeziehe, würde ich sofort zu Twitch gehen. Man kann dort auch während des Live-Streams Spenden einnehmen. Bei YouTube gibt es ebenso Monetarisierung über Superchat, ist aber etwas versteckt hinter einem kleinen Dollar-Icon. Bei Twitch ist das selbstverständlich, bei YouTube eher nicht. Bei Twitch kann man sogar extra Emoticons für die Interaktion kaufen und eine eigene Währung. Bei beiden Plattformen geht ein Teil der Spenden ab und an die Plattformen selbst bzw. die Betreiber (Amazon im Falle von Twitch). YouTube nimmt 30%.
Beat / Kann man auf YouTube überhaupt ernsthaft Geld verdienen?
Hainbach / Also rein mit YouTube nicht, denn man muss im Musikbereich 1.000 Klicks haben für zwei US-Dollar. Bei 60.000 Views wären das rund 120 Dollar Einnahmen. Im Verhältnis zur reingesteckten Arbeit ist das ja nichts. Für mich ist Patreon am wichtigsten, damit verdiene ich zurzeit mein Haupteinkommen. Deshalb kann ich es mir aber auch erlauben, die abgefahrendsten Themen zu bringen. Es gibt eine begeisterte „Core Audience“ – das sind etwa 600 Leute, die monatlich oder auch jährlich ein Abo von mir haben und da- für mitentscheiden beim Inhalt, Fragen stellen und Musik und exklusive Sample Packs bekommen. Eine weitere Möglichkeit, auf YouTube Geld zu verdienen, ist Sponsoring und damit verbundene Produktplatzierungen. Der Betreiber wie z. B. Distrokid wird genannt und ich bekomme einen Link mit Code - wenn jemand diesen klickt und das Produkt kauft, bekomme ich eine Provision. Die dritte Möglichkeit sind Endorsements: Firmen schicken mir Synthesizer oder Pedale und bezahlen für ein Video damit oder dafür. Darunter steht dann bezahlte Werbung und ich sage es auch klar, wenn das der Fall ist.
Beat / Du verkaufst auch Musik und Sounds auf Bandcamp, oder?
Hainbach / Ja, Bandcamp läuft bei mir auch sehr gut, es ist eine schöne Plattform für meine etwas ab- seitigere Musik. Ich glaube meine letzte Platte war Platz 3 in den Top-Sales. Das entspricht ca. 500 Einheiten in ein paar Tagen, verteilt auf Tape , Vinyl und digital. Für physische Formate ist Bandcamp die beste Plattform gerade.