Da ist sie: die erste Akai MPC seit neun Jahren, die völlig unabhängig vom Computer operieren kann. Und den Features nach bringt sie alles mit, was eine Studiozentrale so braucht, Touchscreen inklusive. Heißt das jetzt: Die beste MPC der Welt?
- Sequenzer und Sampler
- Stand-alone- und Controller-Modus
- Interner Akku für 6 Stunden
- 2 GB RAM
- 16 GB Festplatte
- 16 Leucht-Pads
- 4 Q-Link Regler
- Touchscreen
- MIDI-Interface
- USB-Anschlüsse
- SATA-Anschluss (SSD/HDD)
- WAV-, MP3-, AIFF-, REX-, SND-Unterstützung
Es hat den harten Kern treuer MPC-Fans viel Geduld gekostet, da halfen auch die Hybriden Fly, Studio, Renaissance und Touch nichts. Das „wahre“ Music Production Center sollte doch ein Zentrum des Studios und nicht von einem Computer abhängig sein, oder? Nun endlich, im Jahre 2017, hat das Warten ein Ende, denn mit der MPC Live kommt das erste wieder autarke System auf den Markt, das die legendären Klopfgeister mit der Moderne verbinden soll. Und die Features können sich sehen lassen: ein 7-Zoll Touchscreen, Eingang für Plattenspieler, MIDI-Anschlüsse, 2 GB Speicher, USB-Ports, interne Audiospuren und vieles mehr. Und sie kann nicht nur ohne Rechner betrieben werden, sondern dank Akku auch unabhängig vom Strom. Techniken wie Abletons Link und Verbindungen mit dem WLAN stehen ebenfalls auf der Todo-Liste. Das liest doch toll, oder?
Akai MPC Live - Die Hardware
Wie eh und je ist die MPC Live ein ordentlicher Klotz, im positiven Sinne. Sie bringt beinahe 3 kg auf die Waage und wirkt unkaputtbar, alle Bedienelemente inklusive. Von oben betrachtet gleicht sie der Touch wie ein Ei dem anderen: Die 16 obligatorischen Pads nehmen eine Hälfte ein, der Touchscreen und einige Kontrollen die andere.
Ausgeschaltet wirkt die MPC ungewohnt dunkel, denn alle Elemente sind schwarz, inklusive Logo. Rückseitig werden die Unterschiede schon gravierender, denn wo die Touch nur einige wenige Anschlüsse bietet, prangen beim neusten Spross ein Stereo-In, drei Stereo-Outs, ein Anschluss für Turntables, je zwei MIDI-Ins und -Outs, zwei USB-Slots für Festplatten, Sticks und sogar MIDI-Controller, ein Slot für SD-Karten, Anschluss für SATA-Festplatten und der USB-Port für den optionalen Betrieb mit dem Rechner, respektive der MPC Software 2. Das Anschließen mehrerer Klangerzeuger und MIDI-Keyboards ist also kein Problem. Eine amtliche Ausrüstung, die einem Music Production Center gut steht. Auch erfreulich: Im Gegensatz zu älteren Modellen kann die MPC nicht nur als MIDI-Master agieren, sondern auch als Slave. Keine Selbstverständlichkeit in ihrer Historie.
Die 16 Pads fühlen sich äußerst wertig an und melden ihren Betriebsmodus mit verschiedenen Farben am Rand. Gerade dank des zuvor angesprochenen sehr dunklen Designs ist das Leuchten ein wahrer Segen. Die Q-Link Regler übernehmen je nach aktuell gewähltem Menü individuelle Aufgaben, wie etwa Scrollen oder Zoomen.
Das MPC-Prinzip
Das Grundprinzip der MPC Live gleicht allen bisherigen Modellen: Das Gerät ist eine Kombination aus Sequenzer und Sampler, mit dem sich interne Samples abfeuern und externe Klangerzeuger antriggern lassen. Grundlegend neu ist ein Clip-Modus, über den sich Loops synchron zum Songtempo starten lassen, ähnlich Ableton Live oder Bitwig. Auch neu sind CV-Kanäle zum Antriggern modularer Synthesizer, die für die MPC Live aufgrund nicht vorhandener CV-Ausgänge allerdings nicht verfügbar sind. Hier müssen Interessierte auf das Erscheinen der MPC X warten, die acht CV-Ausgänge bieten wird. Laut Hersteller sind die CV-Kanäle dennoch in der Live enthalten, damit Projekte der „großen“ MPC problemlos geladen und bearbeitet werden können. Die CV-Kanäle werden dann einfach stumm geschaltet. Darüber hinaus bietet die MPC bis zu acht Audiospuren im Stand-alone-Betrieb und 128 zusammen mit der Software.
Bedienung der Akai MPC Live
Anders als bei den klassischen MPCs werden die Pads nur noch zum Abfeuern von Samples und Clips genutzt, alles andere wird über den Touchscreen und die Bedienelemente gesteuert. Die Q-Link-Regler sind in allen Menüs als praktische Helfer eingebunden: Die meisten Funktionen pro Seite stehen in vier Zeilen à vier Parametern zur Verfügung. Per Schalter über den Reglern wird die aktive Spalte gewählt, sodass vier Parameter per Q-Link verschraubt werden können. Wem das noch zu kompliziert ist, der drückt mit dem Finger auf den gewünschten Parameter und stellt ihn über den großen Hauptregler ein oder – je nach Parameter – drückt zweimal darauf und wählt dann eine Option aus einem Dropdown-Menü. Lange Menüs lassen sich wie vom Smartphone gewohnt nach oben und unten wischen. Insgesamt wirkt die Bedienung modern, schlüssig und durchdacht. Der äußerst gut reagierende Touchscreen macht die Benutzung wesentlich komfortabler als bei den „alten Hasen“, Einsteiger können sich dennoch schnell mal im Wust der Optionen verlieren. Sogar MPC-Kenner haben viel Neuland zu entdecken. Nach ein paar Stunden Intensivtraining navigiert man sich aber zielsicher durch die zahlreichen Menüs.
Samples …
… lassen sich entweder über den internen Sampler aufnehmen und im Editor aufbereiten oder per Browser bequem laden und vorhören, übrigens auch bei laufendem Playback. Somit sind spontane Erweiterungen eines Livesets kein Problem. Fantastisch! Auch praktisch für Auftritte ist der neue Looper: Mit diesem lässt sich der Audio-Eingang mit Insert-Effekten bestücken, on-the-fly Loops sampeln oder rückwärts wiedergeben. Die Performance lässt sich überdies aufnehmen und als Sample speichern.
Der Sample-Editor bietet sowohl klassische Funktionen wie etwa Schneiden, Normalisieren, Faden, Pitchen und Stretchen als auch Slicen und Loopen. Der Touchscreen spielt hier seine Stärken voll aus, denn die Wellenform kann mit den Fingern gezoomt, geschoben, geschnitten und getrimmt werden. Die Haptik fällt sehr natürlich aus, der Screen reagiert sofort auf jede Berührung. Für das Finetuning auf den Zähler genau können alle Parameter per Drehregler justiert werden. Die Samples landen schließlich in einem Program, das entweder als Drumkit oder Instrument dient. Drumkits bestehen aus bis zu 128 Pads mit vier Layern, in die jeweils ein Sample geladen werden kann. Instrumente wiederum bestehen aus nur vier Layern, deren Samples chromatisch über den kompletten Notenbereich spielbar sind. Zur Klangformung stehen pro Pad Hüllkurven und ein LFO bereit, dazu ein variables, bis zu achtpoliges Filter mit Standards wie Hoch-, Tief- und Bandpass als auch verschiedenen Formant-Typen und ein MPC3000-Tiefpassfilter. Klanglich können die Filter alles von brav bis bissig und knackig. Zusätzlich kann jedes Pad bis zu vier Send- und Insert-Effekte nutzen. Dazu gleich mehr.
Im oben schon angesprochenen Clip-Modus können die bis zu 128 Pads mit Loops bestückt werden, die automatisch temposynchron laufen. Das Starten der Loops geschieht taktgenau. Diese lassen sich des weiteren in Gruppen organisieren, sodass sich beispielsweise nicht mehrere Drumloops oder Vocals überlagern. Gut mitgedacht und perfekt für Situationen auf der Bühne! Für externe Klangerzeuger gibt es MIDI-Spuren, über welche sich externe Klangerzeuger ansprechen lassen. Dank zwei MIDI-Outs mit je 16 Kanälen lässt sich allerhand Equipment einbinden. Und zu guter Letzt stehen acht Audiospuren (128 mit der MPC-Software) zur Aufnahme bereit. Deren Nachbearbeitung beschränkt sich allerdings auf sehr grundlegende Funktionen und ist nicht mit einer ausgewachsenen DAW vergleichbar.
Effekte und Mixer
Organisiert werden alle Sounds in bis zu 128 Sequences. Jede davon enthält maximal 128 Tracks, die wiederum ein Program für die Sounds und ein Pattern enthalten. Dazu gibt es je nach Spur-Typ maximal vier Send- und Insert-Effekte. Zur Auswahl stehen diverse Filter, Delays, Reverbs, Kompressoren, Bitcrusher, Verzerrer, Phaser und Flanger sowie ein Transient-Shaper und Sound-Emulationen älterer MPC Modelle. An der Qualität gibt es nichts zu beanstanden und wie schon in der Program-Sektion klingen die Filter ausgezeichnet.
Damit die Übersicht bei dieser schieren Masse an Optionen nicht verloren geht, können alle Kanal-Einstellungen über einen Channel Mixer geregelt werden. Die Ansicht lässt sich zwischen MIDI, Audiospuren, Programs, Effektwegen und den Masterkanälen umschalten. Für die jeweils gewählte Ansicht bietet der Mixer dann Optionen für Routing, Effekte usw. Bei größeren Projekten kann es hier schon mal chaotisch werden, vor allem, wenn viele Effekt zum Einsatz kommen. Noch mehr Effekte gibt es im X/Y-Pad-Modus. Hier dient der Touchscreen als zentrales Bedienelement für eine Handvoll Filter, Delays und Beat Repeat Effekte, deren Parameter per Hand live eingestellt werden.
Sequenzer
Seit vielen Jahren werden MPCs wegen ihres besonderen Timings teilweise vergöttert. Daran dürfte sich nichts ändern, denn die Live bietet die gleichen Optionen wie ihre Vorgänger. Und eine Menge mehr. Wie schon bei der Touch werden sich bestehende MPC-User darüber freuen, dass die Länge der Patterns unabhängig von der Länge der Sequence sein kann. So müssen beispielsweise eintaktige Loops nicht x-mal hintereinander kopiert werden und Polyrhythmen sind auch kein Problem mehr. Wenngleich mit einer kleinen Einschränkung: Ist die Sequenz einmal durchgelaufen und beginnt von vorne, starten auch alle Patterns von vorne. Die Aufnahme geschieht on-the-fly, per Step-Sequenzer oder im sogenannten Grid View, einer Piano-Roll-Ansicht. Dort lassen sich Noten mit dem Finger einzeichnen und löschen, sowie über diverse Optionen transponieren, verschieben und in der Länge ändern. Die Bearbeitung geht äußerst flüssig von der Hand, verlangt bei längeren oder umfangreichen Patterns allerdings etwas Geduld, denn hier stößt der kleine Bildschirm an seine natürlichen Grenzen. Dank diversen Quantisierungs-Optionen sind schiefe Aufnahmen ruckzuck gerade gerückt oder mit dem nötigen Swing-/Shuffle-Groove versehen. Wer beim Einspielen auf Nummer sicher gehen und „schiefe“ Noten vermeiden will, wird seine Freude am neuen Pad-Perform-Modus haben. Dieser belegt die Pads mit verschiedenen Skalen, sodass nur noch „richtige“ Noten der jeweiligen Skala abgefeuert werden.
Doch der Sequenzer kann nicht nur Noten enthalten, sondern auch Automationen vieler Parameter. Jede Sektion, der automatisierbare Parameter enthält, bietet ein Icon zum Aktivieren des Lese- oder Schreib-Modus. Zum Aufnehmen einer Automation genügt also das Anklicken des Icons und anschließendes Drehen am Parameter. Komfortabler könnte man das auf einer Hardware nicht lösen. Über das Track-Menü stehen weitere Optionen zum Verdoppeln oder Halbieren des Pattern-Tempos zur Verfügung sowie eine Bounce-to-Sample-Funktion, die das Pattern mal eben in einen Audioloop konvertiert. Sehr praktisch! Eine ähnliche Funktion gibt es auch für das komplette Projekt. Mit dem Unterschied, dass sich dieses als WAV-, AIFF- und MP3-Datei exportieren lässt. Wer Sequenzen nicht manuell umschalten will, kann dies auch per Next-Sequence-Sektion über die Pads erledigen. Die jeweils nächsten Sequenzen starten je nach Bedarf entweder taktgenau zum Ende der laufenden Sequenz oder sobald das Pad gedrückt wird.
Auf eine unabhängige MPC hat die Fangemeinde lange gewartet. Und sie wird nicht enttäuscht. Die Live bietet alle Funktionen traditioneller MPCs und erweitert sie mit schlauen und zeitgemäßen Funktionen, sowohl für den Betrieb im Studio als auch auf der Bühne. Und vor allem: Sie macht Spaß!
Zwar braucht es eine Weile, bis man den kompletten Umfang verinnerlicht hat, doch die Geduld zahlt sich aus. Über die MPC lassen sich ganze Arrangements spielend leicht aufbauen und mit einem Handgriff gleich als MP3 speichern. Dabei konzentriert sich Akai schon längst nicht mehr nur auf sein Hip-Hop-Publikum, spätestens dank Step-Sequenzer und Automationen sind auch komplexe Tracks elektronischer Musikstile umsetzbar.
Für den Live-Betrieb sind neben dem bekannten Next-Sequence-Modus die Clips eine willkommene Neuerung, um Produktionen aus dem Studio flexibel im Club präsentieren zu können. Dem Sequenzer wird mit den Automationen und Skalen im Pad-Perform-Modus eine Frischzellenkur verpasst, die Bedienung ist makellos und dank der vielen Anschlüsse auf der Rückseite ist die MPC kompatibel zu allen modernen Medien. Hut ab!
Dieser Artikel ist in unserer Heft-Ausgabe 136 erschienen.
- Flexibilität
- autarker Betrieb
- Bedienung
- Skalen im Pad-Perform-Modus
- während Wiedergabe nachladen
- Automationen
- Live-Looper
- Anschlüsse für MIDI Controller
- Kontrastarmes Design der Hardware