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Preview: Waldorf Quantum - der Über-Synth 2018?

Mit dem Quantum hat Waldorf ein wahres Powerpaket im Repertoire, das sich „Weg vom Rechner“ als Motto auf die Fahne geschrieben hat und bald ausgeliefert werden soll. Auf dem Papier klingt der Synth schonmal nach einer wahren eierlegenden Wollmilchsau. In der Praxis auch?

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Features:
  • Hybrid-Synthesizer
  • 8 Stimmen
  • Zweifach timbral
  • Analoge Filter
  • Wavetables
  • Granular-Synthese
  • Multisampling
  • Resonator
  • Arpeggiator
  • Stepsequenzer
  • 40-fach Modmatrix
  • 6 LFOs
  • 6 Hüllkurven
  • 7" Touchscreen
  • Dedizierte Regler
  • 4 GB Speicher

Die Liste an Features lässt sich sehen und dürfte so ziemlich jeden Synthesizer Enthusiasten neugierig machen: Drei Oszillatoren, die jeweils aus vier Syntheseformen wählen können, bilden die Basis für den Grundklang. Dazu zwei analoge Filter, eine umfangreiche Effektsektion, jeweils sechs LFOs und Hüllkurven zum Basteln, einen Arpeggiator, Sequenzer, Modmatrix und und und... alles vereint unter eine schicken Haube mit dedizierten Reglern ohne Doppelbelegungen. Die Zentrale auf der Oberfläche bildet ein Farb-Touchscreen, der Zugriff auf kleinteilige Parameter bietet. Der Synth ist zweifach timbral und kann somit entweder zwei eigenständige Sounds über verschiedene MIDI-Kanäle wiedergeben, wenn gewünscht jeweils mit separatem Stereo-Ausgang, oder einen Split-Sound. Das klingt doch nach einer runden Sache, oder?

Klangerzeugung beim Waldorf Quantum

Soviel vorneweg: Das ist es auch. Alleine die Sektion der Oszillatoren ist beeindruckend, wobei Oszillator eigentlich nicht mal der richtige Ausdruck ist. Denn jeder der „Oszillatoren“ bietet die Modi Wavetable, Waveform, Particle und Resonator. Wavetable ist natürlich der Waldorf Klassiker, geht aber einige Schritte weiter als die bisherigen Synths. Denn einerseits ist hier der komplette Nave-Synthesizer mitsamt seiner Sprachsynthese eingebaut, so dass sogar dessen Presets weitestgehend importiert werden können und andererseits lassen sich eigene Wavetables aus Audioquellen erzeugen.

Der Waveform Modus bietet eher gewöhnliche Oszillatoren-Funktionalitäten, schlägt aber mit bis zu acht simultanen Wellenformen zu Buche, inklusive Hardsync, Warp, PWM und weiteren Nettigkeiten. Wirkliches Neuland in jeder Hinsicht betritt Waldorf mit dem Particle Modus, denn hierbei handelt es sich um einen waschechten Multisampler mit 512 MB RAM, der entweder schlicht Samples wiedergeben oder zum Granular-Monster werden kann, wie es bis dato noch nicht in Hardware-Form zu finden ist. Dazu gleich mehr. Bleibt noch der Resonator Modus, der ebenfalls auf das Multisampling zurück greift, dieses aber mit schwingenden Filtern verbindet. Übrigens lässt sich auch der Audioeingang als Klangquelle nutzen und beispielsweise live in den Granularsampler einspeisen, was vor allem auf der Bühne reizvoll ist. Auch dazu gleich mehr Details.

Wohlgemerkt, wir befinden uns hier immer noch auf der Ebene der Oszillatoren. Die verschiedenen Modi lassen sich also nach Belieben zu riesigen Klangwelten kombinieren. Praktisch auch, dass die Einstellungen pro Oszillator als Preset gespeichert werden können, was vor allem bei Verwendung des Sampling von Vorteil ist.

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Filter und Effekte

Standardmäßig laufen die Oszillatoren in die Filtersektion, wobei das Routing flexibel ist. So könnten die Filter auch übersprungen oder nur bestimmte Oszillatoren hindurch geroutet werden. Für jede der acht Stimmen stehen analoge Tiefpassfilter mit Boost zur Verfügung, die wahlweise mit 12 oder 24 dB arbeiten. Dazu digitale Multifilter mit Hoch-, Tief- und Bandpass, sowie Notch und Kammfilter. Beinhaltet sind auch die Modelle von Nave, Largo und PPG. Das digitale Filter bietet Drive, Saturation und überdies einen Bitcrusher.

Auch in der Effektsekton ist einiges los: Jedes der beiden Timbres besitzt fünf Slots, die mit einer großzügigen Auswahl bestückt werden können. Mit dabei sind Phaser, Flanger, Chorus, Delay, Reverb, Equalizer, Verzerrer und weitere Effekte. Für den Master-Out gibt es zusätzlich noch einen Kompressor. Was also mit den Oszillatoren noch nicht erreicht werden konnte, dürften Filter und Effekte problemlos ermöglichen.

Hardware und Bedienung am Waldorf Quantum

So viel Funktionalität muss sich bedienen lassen, aber auch an dieser Front macht der Quantum eine super Figur. Über 100 Potis und Schalter bieten Zugriff auf die wichtigsten Parameter, was das Handling auf der Bühne einfach macht. Mit dabei sind Regler für die Oszillatoren, drei der sechs LFOs, Hüllkurven und Effekte. Verschiedene Farbgebungen kleiner LEDs unter den Potis signalisieren den jeweiligen Betriebsmodus, sodass schnell zu erkennen ist, ob ein Oszillator beispielsweise Samples abspielt oder als Resonator arbeitet. Klasse!

Die Detailarbeit findet über den 7"-Touchscreen statt, der mit einem iPad mini ohne Retina-Auflösung vergleichbar ist. Hier werden Wellenformen und Wavetables modifiziert, Modulations-Routings vorgenommen, Samples bearbeitet, der Arpeggiator programmiert oder der Stepsequenzer bedient. Trotz vieler Details ist die Benutzerführung gut gelungen, man verliert sich nie im Parameterwust. Nicht zuletzt, weil die wichtigsten Sektionen schnell über eigene Buttons über dem Display gewechselt werden können. Auch die virtuellen Bedienelemente sind immer gut mit dem Finger zu treffen. Der Screen reagiert verzögerungsfrei, Farbgebung und Kontrast sind angenehm fürs Auge und auf längeres Arbeiten ausgelegt.

Die Rückseite des mit Holzteilen bestückten Gehäuses offeriert zwei Stereo-Ausgänge, einen Stereo-In, einen Kopfhörer-Anschluss, ein MIDI-Trio, Pedal-Eingänge für Sustain und Control, sowie einen USB-Eingang für MIDI-Controller, einen USB-Ausgang zur Verbindung mit einem Computer und einen Volume-Regler. Last but not least gibt es auch einen Slot für SD-Karten, dem Hauptspeichermedium des Quantum. Seinen Strom erhält der Synth über einen Kaltgeräteanschluss, Probleme mit Netzteilsteckern sind also nicht zu erwarten. Alles andere wäre für einen Synth dieser Klasse auch nicht angemessen.

An dieser Stelle sei noch erwähnt, dass der Quantum ein eigenes Betriebssystem mit sich bringt. Trotz dessen und der geballten Flut an Features benötigt das Booten lediglich elf Sekunden. Sogar nach einem Stromausfall auf der Bühne ist der Synth also ruckzuck wieder startklar.

Waldorf Quantum kann auch Sampling

Wie einleitend erwähnt basieren zwei der Oszillator-Modi auf Samples oder Multisamples. Vom Blofeld her ist man bei Waldorf schon mit dem Sample-Import vertraut, geht mit dem Quantum jedoch etliche Schritte weiter. Im Gegensatz zum Blofeld findet sich hier ein waschechter Sampler mit WAV- und AIFF-Import von der SD-Karte oder eben Sampling direkt vom Stereo-Eingang. Verarbeitet werden Formate von bis zu 32 Bit und beliebigen Sampleraten. Ebenfalls möglich ist das Re-Sampling der Oszillatoren per Knopfdruck. Der Quantum wandelt die Klangerzeugung von selbst in Multisamples um und mappt sie automatisch. Vorbildlicher geht es kaum.

Die Möglichkeiten zum Bearbeiten der Samples am Gerät halten sich Grenzen, sind aber völlig ausreichend. So lassen sich Start- und Endpunkte setzen, Loops aktivieren und Samples mappen. Letzteres geht vollautomatisch, sofern die Namen der Samples Informationen über die Tonlage enthalten. Ebenfalls möglich ist Round Robin, entweder vorwärts, rückwärts, hin und her oder zufällig. Echte Instrumente und Drums lassen sich also problemlos mit dem Quantum aufnehmen und realistisch wiedergeben.

Gefüttert werden die Samples in den Particle Generator oder den Resonator. Letzterer nutzt die Samples als Impulse, die laut Waldorf durch eine Filterbank von resonanten Bandpässen gejagt werden und in schwingende Sinus-artige Sounds verwandelt werden. Weniger technisch ausgedrückt: Stellen Sie sich eine Saite einer Violine oder Gitarre vor, die per Finger oder Bogen in Schwingung versetzt wird. Mit dem Unterschied, dass nicht der Holzkörper des Instruments für den Klang verantwortlich ist, sondern eben die geladenen Samples. Die Resultate können somit durchaus vergleichbar mit Harfen, Gitarren und Xylophonen. Oder auch Drones, wenn die Klangerzeugung mit extremen Einstellungen genutzt wird.

Ebenfalls experimentell und der Form bis dato noch nie in Hardware-Form gegossen, ist die granulare Abteilung, genannt Particle Generator. Das Prinzip ist von Software wie Steinbergs Padshop, diversen Reaktor-Ensembles oder anderen Plug-ins bekannt: Ein Sample wird in winzige Stücke (Grains) unterteilt, die geloopt wiedergegeben werden. Die Länge der Grains, deren Startpunkt im Sample und andere Details lassen sich dabei frei variieren und auch modulieren. Das wohl typischste Einsatzgebiet neben experimentellen Sounds aller Couleur dürften Pads und Drones sein.

Sequenzen und die Modmatrix

In einem Synth dieser Größenordnung darf ein Arpeggiator natürlich nicht fehlen. Und auch hier lässt Quantum nicht lumpen, denn der Arpeggiator bietet neben den üblichen Modi wie up, down und random auch 31 interne Patterns und einen Swing-Faktor. Wer damit noch nicht glücklich wird, wird es mit dem Sequenzer mit bis zu 32 Steps. Hier lassen sich nicht nur Sequenzen mit Noten programmieren, inklusive skalen-basierter Tonhöhenquantisierung, sondern auch Parametermodulationen. Eine runde Sache.

Überhaupt ist das Thema Modulationen ganz groß geschrieben beim Quantum. In der 40-fachen Modmatrix lässt sich so ziemlich jeder Parameter modulieren. Neben den jeweils sechs LFOs und Hüllkurven gibt es massig weitere Quellen, u.a. polyphoner Aftertouch und ein Komplex-Modulator. Dabei handelt es sich um eine Art LFO, der auf zwei Wellenformen basiert, zwischen denen gemorpht werden kann. Darüber hinaus bestehen die Wellenformen aus mehreren editierbaren Segmenten.

Zielgruppe

So flexibel wie die Hardware selbst ist auch der Output des Synths. Weiche Lead-Sounds, Harfen, Pianos und Pads, krachende Bässe und Effekte oder doch lieber komplette Playbacks mit realistischen Drumkits und gefühlvollen Streichern? Oder ganz experimentell mit gestretchten Loops, modularen Blubber-Sounds und düsteren Drones? Alles kein Problem, der Quantum ist dabei. Sogar Nicht-Bastler werden mit über 10.000 Presets mehr als amtlich bedient, Keyboarder freuen sich über die Split-Funktion und selbst als Effektgerät ist der Synth eine Wucht. Also eigentlich ein Synth, den jeder haben muss, oder? Jein. Rein technisch gesehen ja, denn der Synth patzt in keiner Kategorie, aber am Ende wird bei vielen sicherlich der hohe Preis entscheiden, der aufgrund der gebotenen Vielfalt aber mehr als gerechtfertigt ist.

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Fazit

Quantum ist beeindruckend. Zwar erfindet der Synth das Rad nicht neu, aber eine derart umfangreiche Ausstattung inklusive ausgewachsenem Sampler gab es bis dato noch in keinem Gerät. Das Wiedergeben einfacher Wellenformen oder Wavetables mutet hier schon fast beleidigend an. Dazu kommt die stets einfache Bedienung über die vielen dedizierten Regler und den Touchscreen. Trotz der erschlagenden Fülle an Parametern ist man zu keiner Zeit an keiner Stelle verloren. Alleine das Ausloten der Kombinationen der verschiedenen Syntheseformen inklusive Sample-Import kann mehrere Leben füllen. Auch die Möglichkeiten des Audio-Eingangs sind vorbildlich gelöst, lässt sich dieser doch nicht nur zum Sampling nutzen, sondern auch live in den Granular Generator oder Resonator einspeisen. Somit kommen auch Instrumentalisten und Sänger voll auf ihre Kosten. Und wer synthetischen Sprechgesang will, nutzt die aus dem Nave adaptierten Sprachsynthese per Worteingabe über den Touchscreen.

Kurzum: Es gibt fast nichts, was der Quantum nicht kann und in allen Kategorien bietet er satte Klangkost, sowohl quanti- als auch qualitativ. Wer noch einen „großen Flexiblen“ fürs Studio oder die Bühne sucht und nicht auf jeden Cent schauen muss, dürfte mit dem Quantum mehr als glücklich werden.

Dieser Artikel wird in unserer Heft-Ausgabe 150 erscheinen.

Bewertung
Name
Waldorf Music GmbH Quantum
Preis
4195 EUR
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