Von einem ARP 2600 durfte man vor einigen Jahren nicht einmal träumen, jetzt gibt es überzeugende Nachbauten für deutlich unter 1.000 Euro - goldene Zeiten für Synthesizerliebhaber!
Behringer vs. Korg
Nachdem Behringer beim Nachbau des ARP Odyssey zeitlich doch deutlich hinter Korg lag, sind beide Firmen mit ihren Neuauflagen des legendären halb-modularen Systems ARP 2600 nahezu gleichauf. Während der limitierte Fullsize-Nachbau von Korg aber mit strenger Limitierung und einer unverbindlichen Preisempfehlung von 4.000 Euro eher Sammler anspricht, richtet sich der deutlich günstigere Behringer 2600 an den Massenmarkt. Zwar hat Korg mit dem ARP 2600 M auch ein günstigeres Serienmodell angekündigt, das aber immer noch dreimal so teuer wie Behringers Modell sein wird und dessen konkreter Liefertermin zum Zeitpunkt des Tests noch nicht bekannt war.
ARP 2600
Das Original aus den 70ern ist ein monophoner analoger Synthesizer mit semi-modularem Aufbau. Mit drei Oszillatoren, Tiefpassfilter, VCA, zwei Hüllkurven und einem VCA können Sie auch ohne Kabelstecken klassische Synthesizersounds erzeugen. Richtig spannend wird es aber erst, wenn Sie die zahlreichen Patchbuchsen nutzen und die interne Vorverkabelung aufbrechen, um neue Sounds zu erforschen.
Kompakter Nachbau
Der Nachbau von Behringer übernimmt die Klangerzeugung, Design und Bedienelemente nahezu unverändert vom Original, allerdings in etwas verkleinerter Form. Mit Abmessungen von 482 x 356 x 108 mm bietet der Synthesizer aber immer noch genug Platz, um auch mit großen Händen und bei umfangreicher Verkabelung noch vernünftig schrauben zu können.
Das robuste Metallgehäuse sorgt für ein Gewicht von über 5 Kilogramm. Es ist für eine bessere Bedienung bei Desktop-Aufstellung angeschrägt, kann aber auch in ein 19Zoll-Rack eingebaut werden, wo es acht Höheneinheiten verbraucht. Auf die eingebauten Lautsprecher wurde verzichtet, den Platz haben u. a. der neue LFO sowie der Preamp eingenommen.
Beleuchtete Fader
Wie beim Odyssey-Nachbau hat Behringer die Fader mit beleuchteten Kappen versehen, deren Farben sich je nach Funktionsbereich (VCO 1/2/3, Filter, Hüllkurven etc.) unterscheiden. Das sieht zwar auf den ersten Blick ein wenig nach Weihnachtsbeleuchtung und Spielerei aus, erhöht aber in der Praxis die Übersichtlichkeit enorm. Denn ein ARP 2600 kann auch erfahrene Synthesizer-Nutzer aufgrund des teilweise ungewöhnlichen Aufbaus beim ersten Kontakt zur Verzweiflung bringen.
Dank der unterschiedlichen Farben sieht man jetzt direkt welche Fader im Mixer welche Oszillatoren regeln und welche Fader für die Modulation zuständig sind. Und auch im dunklen Studio oder auf der Bühne erleichtert die Beleuchtung das Auffinden der passenden Fader. Die Helligkeit der LEDs lässt sich über einen Regler auf der Rückseite anpassen und auch komplett herunterregeln.
MIDI, USB
Während sich das Original nur per CV/Gate ansteuern ließ, hat Behringer zusätzlich die Einbindung über MIDI und USB eingebaut. Der 2600er ist ansonsten aber rein analog aufgebaut, eine Steuerung von Parametern via MIDI oder ein Speichern von Sounds ist nicht möglich. Zumindest eine Verarbeitung von Velocity, wie es der Behringer Odyssey über die Accent-Funktion erlaubt, hätten wir schon gerne gesehen.
Duophon!
Neu hinzugekommen ist die vom Odyssey inspirierte Option, den Synthesizer über MIDI duophon zu spielen. Dies lässt sich über einen Schalter aktivieren und sorgt dafür, dass beim Spielen von zwei Noten zwei separate Steuerspannungen erzeugt werden. Wenn Sie den Upper-Voice-Ausgang mit dem Keyboard-CV-Eingang von VCO 3 verbinden, können Sie VCO 1und 2 mit der tiefen Note anspielen und zusätzlich im oberen Keyboardbereich mit VCO 3 eine andere Melodie spielen. Das Ergebnis wandert dann aber weiterhin durch ein Filter und einen VCA, ist also nur bedingt mit einem polyphonen Synthesizer vergleichbar. Dennoch erweitert diese Option die Klangmöglichkeiten deutlich, insbesondere bei Verknüpfung der Oszillatoren untereinander per Ring- oder Frequenzmodulation!
Portamento, Intervall
Ebenfalls auf der Rückseite befinden sich zwei Anschlüsse für Fußschalter. Hiermit lässt sich beim Spielen eines Synthesizer-Solos Portamento oder Interval Latch aktivieren. Letzteres friert das zuletzt auf der angeschlossenen Tastatur gespielte Intervall ein, das sich dann mit nur einer Taste spielen lässt – in gewisser Weise vergleichbar mit der in polyphonen Synthesizern zu findenden Chord-Memory-Funktion. Die Stromversorgung erfolgt über ein externes Netzteil, der An-/Ausschalter befindet sich auf der Oberfläche.
Drei flexible VCO
Grundlage der Klangerzeugung bilden drei Oszillatoren. Sie sind getrennt in Grob- und Feinstimmung regelbar, wie beim Odyssey gibt es keine Oktavschalter oder Mittenrastung. Für eine korrekte Stimmung sind Sie daher allein auf Ihr Gehör bzw. einen nachgeschalteten Tuner angewiesen, haben bei FM & Co. dafür aber alle Freiheiten zur stufenlosen Anpassung. Alle drei VCO verfügen über die Wellenformen Sägezahn und Rechteck (mit manuell regelbarer Pulsweite). VCO 2 und 3 bieten zusätzlich noch Dreieck und Sinus sowie einen PWM-Eingang. Oszillator 2 und/oder 3 lassen sich zu Oszillator 1 hart synchronisieren, was in Verbindung mit einer Tonhöhenmodulation zu den schneidenden und metallischen Sync-Sounds mit einem sehr speziellen Charakter führt, für die auch der Odyssey legendär ist.
Jeder VCO verfügt über drei stufenlos regelbare Eingänge zur Frequenzmodulation. Diese Eingänge sind vorbelegt mit Hüllkurve, S/H-Modul, LFO oder einem anderen Oszillator, lassen sich über die Patchbuchsen aber mit jedem anderen Signal füttern. Und die FM- und Crossmodulation zwischen den drei VCO klingt hervorragend und ermöglicht spannende analoge Percussion!
Zwei Filter zur Auswahl
Die Ausgänge der drei VCO gehen gemeinsam mit dem Ringmodulator und dem Rauschgenerator über einen Mixer in das 24dB-Tiefpassfilter. Im Original wurden im Laufe der Zeit verschiedene Filtertypen verbaut, beim Behringer 2600 können Sie zwischen den Modellen 4012 und 4072 umschalten. Die klanglichen Auswirkungen sind aber eher subtil und nicht vergleichbar mit den unterschiedlichen Filtertypen im Odyssey, die sich deutlich hörbar im Klangverhalten unterscheiden. Tatsächlich mussten wir schon Extremeinstellungen bei Resonanz und Sättigung wählen, um überhaupt einen halbwegs relevanten Unterschied herauszuhören.
Insgesamt ist das Filter in beiden Varianten etwas charakterlos und eher analytisch als färbend, auch wenn man beim Patchen einer Feedbackschleife noch etwas satteren Sound herausholen kann. Wirklich schlimm ist das aber nicht, da der 2600 bereits auf VCO-Ebene für aggressive und schräge Sounds sorgen kann und auch die anderen Module noch genug Optionen zur Klangbearbeitung bieten.
Schnelle Hüllkurve
Gut gefallen hat uns die ADSR-Hüllkurve, deren Geschwindigkeit sich in drei Stufen anpassen lässt. Dies erlaubt einerseits extrem knackige Percussion und Bässe bei Pitch- und Filtermodulation, andererseits aber auch Pads und Drones mit sehr langsamem Klangverlauf.
Vorverkabelt landet das Filtersignal im VCA und anschließend im Federhall (stereo). Der semi-modulare Aufbau erlaubt aber an nahezu jeder beliebigen Stelle eine Auftrennung und neue Zusammenstellung des vorgegebenen Signalwegs.
LFO, Envelope Follower
Im unteren Bereich finden sich neben Portamento, Rauschgenerator und LFO einige experimentellere Module. Der LFO hat beim Original noch gefehlt. Dort musste man einen der drei VCOs zweckentfremden, die sich hierfür auch beim Nachbau einzeln von der Tonhöhe entkoppeln lassen. Der LFO im Behringer 2600 kann direkt oder mit Verzögerung einsetzen und so realistische Vibrato-Effekte erzeugen, aber natürlich auch Filter oder Verstärker modulieren.
Mit dem Preamp verstärken Sie interne oder externe Audiosignale, entweder um Sättigung und Verzerrung zu vermeiden oder aber bewusst zu erzeugen. Daran schließt sich ein Envelope-Follower an, um beispielsweise das Filter über eine Drumloop aus DAW oder Drumcomputer zu modulieren und so ungewöhnliche rhythmische Effekte zu erzielen, was im Praxistest sehr gut funktionierte und im Handumdrehen aus einem statischen Sound eine funky Bassline hervorzauberte.
Ringmodulator, Sample/Hold
Auch der Ringmodulator überzeugt mit einem sehr charakteristischen Sound, den man so schon vom Odyssey kennt. Beim 2600 hat man zusätzlich die Option, beliebige Quellen einzuschleifen sowie zwischen Audio und DC umzuschalten, was sich klanglich in unterschiedlichem Fundament des erzeugten Mischsignals auswirkt.
Über die Möglichkeiten des Voltage-Prozessors sowie des S/H-Moduls ließe sich ein eigener mehrseitiger Testbericht schreiben, hier gibt es jede Menge zu erforschen. Eine simple, aber praktikable Anwendung des S/H-Moduls ist die Ausgabe von Zufallswerten mit jedem Tastenanschlag, um damit die Filterfrequenz oder den VCA zu modulieren. Der Voltage-Prozessor kann dabei für fließende Übergänge zwischen den Werten sorgen oder eine invertierte Version herausgeben, was bei Nutzung beider Quellen für interessante Panning-Effekte sorgt. Natürlich lässt sich damit auch die „Stimme“ von R2-D2 aus Star Wars originalgetreu reproduzieren.
Sondermodelle
Mit etwas Verspätung hat Behringer ebenfalls angelehnt an die verschiedenen Variationen des Originals zwei zusätzliche Modelle angekündigt, den Gray Meanie und den Blue Marvin. Der Wortlaut der Pressemeldung hat dabei für eine gewisse Verwirrung gesorgt. So sollten beide Nachbauten mit sorgfältig ausgewählten hochwertigen Komponenten für eine verbesserte Leistung sowie Dual Filter und zusätzlichem LFO ausgestattet sein. Diese Aussage sollte sich aber wohl auf alle drei Modelle und nicht nur auf die graue und blaue Version beziehen. Im direkten Vergleich des klassischen Modells mit dem Gryy Meanie konnten wir zumindest keine klanglichen Unterschiede hören oder einen weiteren LFO oder Filter finden. Der Hinweis auf lediglich 25 Blue Marvins und 35 Gray Meanies im Original wird teilweise als strenge Limitierung auch der Nachbauten ausgelegt, hierfür gibt es bisher allerdings auch keinen konkreten Beleg.
Stereo-Federhall
Neben den offensichtlichen Unterschieden im Design gibt es aber doch einen klanglich relevanten Unterschied: Während das Standard-Modell mit einer digitalen Federhall-Emulation ausgestattet ist, besitzen die Sondermodelle wie das Original einen mechanischen Federhall. Im direkten Vergleich klingt die digitale Variante etwas dumpfer und statischer, macht aber grundsätzlich einen guten Job und setzt sogar eine Feedback-Schleife recht überzeugend um. Die mechanische Variante ist weniger berechenbar, etwas transparenter und mit mehr Höhenanteilen und hat uns im Klangvergleich besser gefallen. Dafür überzeugte uns das Design der Bedienoberfläche der Sondermodelle in der Praxis nicht so sehr. Die blauen und grauen Varianten sind nur mit einfarbigen Fader-LEDs ausgerüstet, und auch die Beschriftungen und grafisch dargestellten Verknüpfungen der einzelnen Bereiche sind weniger gut lesbar. Das Standard-Modell wirkt auf uns übersichtlicher.
Mit dem 2600 hat Behringer eine weitere Synthesizer-Legende für die breite Masse verfügbar gemacht. Vom Grundklang her ist der Behringer 2600 sehr dicht am Odyssey angelehnt, der durch die variableren Filter und die Drive-Schaltung aber etwas kräftiger klingt. Dagegen bietet der 2600 mit dem dritten VCO, den zusätzlichen Modulen im unteren Bereich sowie dem halb-modularen Aufbau klanglich mehr Flexibilität und ist von den Möglichkeiten her schon mit einem mittleren Modularsystem vergleichbar – zu einem Bruchteil an Kosten und Platzbedarf! Ob knackige Synthbässe, analoge Percussion, obertonreiche Sync- und FM-Sounds, cremige Leads, lange Drones oder schräge Sci-Fi-Effekte, der 2600 überzeugt bei allen Arten von elektronischen Klängen. Preamp, Envelope Follower und Federhall machen den Synthesizer auch zu einer interessanten Filterbox und Effektgerät für externe Audiosignale. Wie beim Original benötigt man aber ein wenig Einarbeitungszeit, um Aufbau und Signalweg zu durchschauen und alle Optionen auszuschöpfen, die die vielen Patchbuchsen und Module bieten.
- überzeugender Sound
- sehr flexibel
- 3 VCO
- Duophon
- zusätzlicher LFO
- Federhall
- Semi-modular
- Preis!