Twisted Electrons hat für klassischen Chipsound zwar bereits den TherapSid im Programm, die Basis hierfür in Form eines passenden SID-Chips muss sich der Käufer aber selbst besorgen - und das ist heutzutage gar nicht mehr so einfach! Im TherapKid sorgt daher eine Emulation des SID-Chips für 80er-Retrosound.
Kompakt und robust
Das robuste Metallgehäuse ist sehr kompakt ausgefallen. Die Oberfläche ist aus Kunststoff, ebenso wie die kleinen Regler. Das Bedienfeld ist mit optisch voneinander abgetrennten Sektionen für Voice1/2, Filter, Amp, LFO1/2 und Arpeggiator schnell durchschaut und stellt auch Anfänger vor keine unlösbaren Aufgaben. Die Regler sind kaum größer als bei den Korg-Maschinen wie Volca FM oder Monotron, bieten aber einen angenehmen Drehwiderstand und ausreichend Abstand zum entspannten Schrauben auch mit größeren Händen. Die Stromversorgung erfolgt über USB, unterwegs kann auch eine Powerbank netzunabhängigen Betrieb gewährleisten. Zu den 16 Reglern gesellen sich 21 transparente Taster, die mit weißen LEDs ihren Status anzeigen. Als weitere Werteanzeige dient eine rote 2x7-Segment-Anzeige.
Auf der Rückseite finden Sie den Mini-USB-Anschluss für MIDI und Stromversorgung. Mit Hilfe des mitgelieferten Adapters von Miniklinke auf 5Pol-DIN kann TherapKid auch direkt von einem MIDI-Keyboard angesteuert werden. Ein Mono-Miniklinkenausgang bringt das Audiosignal zur Außenwelt.
Emulation des ersten SID-Chips
TherapKid kombiniert den Sound der ersten SID-Generation 6581, dessen Markenzeichen eine sehr spezielle Verzerrung der Filter ist, mit dem später erschienenen SID 8580 mit stärkerer Resonanz. Basis der Klangerzeugung sind 8Bit-Wavetables, die von einem Prozessor mit 96 MHz, 32 Bit verarbeitet und per 16 Bit DAC ausgegeben werden. Dies ermöglicht maximal zwei Stimmen, wir hätten uns zumindest die vier Stimmen des Original-SID gewünscht. Immerhin lassen sich für jede Stimme alle Wellenformen gleichzeitig aktivieren: Pulswelle, Sägezahn, Dreieck und Noise stehen für Voice1 zur Verfügung, Voice2 bietet invertierten Sägezahn und als Besonderheit eine Sinuswelle für Reinklang und Bassdruck. Da sich Lautstärke und Tuning jeder Wellenform individuell anpassen lässt, erzeugt TherapKid bei Auswahl unterschiedlicher Wellenform-Kombinationen interessante und auch überraschend komplexe Morph-Klänge.
Wie nicht anders erwartet haben die Voices jede Menge Lo-Fi-Charakter, sie knarzen ganz herrlich und schneiden sich wunderbar durch jeden Mix. Auch ein Verstimmen einzelner Wellenformen für breite oder schräge Sounds ist möglich. PWM ist natürlich auch an Bord, ebenso wie Glide. Duo aktiviert einen duophonen Modus, bei dem sich beide Voices getrennt in der Tonhöhe ansteuern lassen. Ein Ringmodulator sorgt bei Bedarf für zusätzliche komplexe Obertöne, die nicht nur für glockige Klänge geeignet sind. TherapKid bietet also bereits auf Oszillator-Ebene jede Menge Klangoptionen.
Kräftiges Filter, eingeschränkte Hüllkurve
Saubere und edle Hifi-Klänge dürfen Sie allerdings nicht erwarten, denn auch das digitale Filter hat einen rauen und dreckigen Klang. Es packt schön kräftig zu und verstärkt dadurch den eigenständigen Klang des TherapKid. Frequenz und Resonanz sind regelbar. Tief-, Hoch- und Bandpass sowie Notch stehen zur Auswahl. Die Resonanz geht wie beim Original-Chip nicht wirklich ins Extreme, für Acid-Sounds gibt es bessere Alternativen. Dafür kann das Tiefpassfilter bei niedriger Frequenz ordentlich Druck im Bassbereich aufbauen. Die Amp-Sektion besitzt eine Hüllkurve mit regelbarem Attack, Sustain und Release. Ein Decay-Parameter ist leider nicht vorhanden, was perkussive Sounds erschwert.
An einen Arpeggiator, unverzichtbar für klassische Computerspiel-Tunes, wurde natürlich auch gedacht. Als Bonus gibt es noch zwei LFOs, die sich intuitiv auf alle Regler/Parameter (mit Ausnahme der Amp-Hüllkurve) routen lassen. 50 Sounds können Sie speichern, eine Zufallsfunktion hilft über Kreativlöcher hinweg.
TherapKid ist spezialisiert auf dreckigen Lo-Fi-Sound mit ordentlich Power und Durchsetzungskraft. Der kompakte Synthesizer bietet klassischen SID-Chipsound zum bezahlbaren Preis. SID-Puristen wird der TherapKid nicht komplett befriedigen, denn die Chip-Emulation unterscheidet sich vom Original ein wenig im Zerrverhalten des Filters, Noise klingt etwas anders und cleane Sounds gelingen auch nicht so überzeugend. Der Charakter wurde aber sehr gut getroffen und die zusätzlichen Optionen ermöglichen auch druckvolle und komplexe Sounds, die man einem kleinen 8Bit-Synthesizer gar nicht zutrauen würde.
- robust und kompakt
- eigenständiger SID-Sound
- 8 unabhängige Wellenformen
- Sinuswelle
- kräftiges Multimodefilter
- 2 LFO
- nur 2 Stimmen
- kein regelbares Decay