Nirvana sind ihre Lieblingsband und als Kind lernte sie Geige. Doch in ihren Produktionen und DJ-Sets feiert Simina Grigoriu die treibende, ekstatische Seite elektronischer Club-Musik. Tobias Fischer sprach mit ihr über politischen Aktivismus, Edith Piaf in Techno-Sets und darüber, sich nicht zu viel Gedanken beim Auflegen zu machen.
Beat / Wir leben in einer stark politisierten Zeit. In wiefern spielt das für dein DJing eine Rolle?
Simina Grigoriu / Ich trenne die Politik meistens davon. Ich habe zwar sehr starke Meinungen. Aber meine Überzeugungen sollten meine Arbeit nicht beeinflussen. Natürlich ist es wichtig, dass wir unsere exponierte Position nutzen, um Gutes zu tun. Viele Künstler machen das ja auch. Ida Engberg zum Beispiel setzt sich für den Tierschutz ein. Coyu hat seine Suara Foundation, die Katzen vermittelt. Und Nicole Moudaber lenkt den Fokus auf Frauenrechte. Auch ich kann Aufmerksamkeit erzeugen für die Themen, die mir am Herzen liegen. Aber es fällt mir schwer zu glauben, dass die Fans das wollen. Die sozialen Medien sind doch auch ein wenig eine Realitätsflucht für viele. Die Leute wollen Musik hören, sie wollen unterhalten werden. Sie wollen nicht, dass man ihnen sagt, was sie fühlen oder tun sollen. Wenn du in den sozialen Medien politisch sein willst, musst du sehr vorsichtig vorgehen.
Beat / Wann hast du mit dem DJing angefangen?
Simina Grigoriu / Ich habe in Kanada gelebt und das DJing als Handwerk erlernt, als ich Mitte 20 war. Ich habe damals während meines Studiums in einer Bar gejobbt und wollte die Gäste lieber mit Musik als Drinks versorgen. Ein paar meiner Freunde besitzen eine Produktionsfirma, Platform Entertainment. Sie haben nahezu im Alleingang deutschen Techno nach Toronto gebracht. Die ersten Bands, für die ich mich interessiert habe, waren The Prodigy und die Chemical Brothers. In meinen Teenager-Jahren habe ich mich dann für die Jungle Szene in Toronto begeistert. Aber meine Einflüsse sind sehr vielseitig. Ich liebe auch 90er-Jahre HipHop und Nirvana ist meine Lieblingsband!
Beat / Wie war das Feedback vom Publikum?
Simina Grigoriu / Ich schätze mich sehr glücklich, dass ich immer eine sehr positive Wirkung auf das Publikum hatte. Wobei man sagen muss, dass ich auch nie unvorbereitet in einen Gig gegangen bin oder unmotiviert war. Natürlich hat es Gigs gegeben, die interessanter waren als andere. Aber ich gebe immer alles, was ich habe. Das einzige Mal, dass ich mich ein wenig entmutigt gefühlt habe, war, als ich einmal für meinen Mann Paul Kalkbrenner eröffnet habe. Das Publikum hatte schon Stunden auf ihn gewartet und sie riefen die ganze Zeit „Paule, Paule“. Das hat sich schon etwas seltsam angefühlt, ich habe mich nicht sehr wertgeschätzt gefühlt. Aber ich wusste auch, dass das nichts mit mir zu tun hatte.
Beat / Du bevorzugst, meine ich, eine Kombination aus Vinyl und digital. Wie bist du zu deinem aktuellen Set-Up gelangt?
Simina Grigoriu / Mein erstes Set-Up bestand bei mir zu Hause aus einem Technics MK2s und einem Xone:92. Ich habe damals nur Vinyl aufgelegt. So habe ich das Mixen erlernt. Bei meinen Live-Auftritten kamen Traktor Scratch mit Time-Code-LPs und gelegentlich auch reguläre Schallplatten zum Einsatz. Nach einem misslungenen Mac-OS-Update war ich etwas entnervt von Traktor und bin auf CDJs umgeschwenkt. Viel später als der Rest der Welt! Heute verwende ich sie immer noch. Aber ich beantrage trotzdem, dass ein Turntable mit dabei ist. Nur für den Fall, dass ich Vinyl auflegen möchte.
Beat / Kommt das oft vor?
Simina Grigoriu / Ehrlich gesagt, nein. Aber zu Hause höre ich immer LPs. Es wird für mich stets etwas Wunderbares bleiben, alte Tracks auf staubigen Platten zu finden.
Beat / Du hast dann auch sehr bald deine eigenen Tracks produziert. Wie wichtig sind dir diese beiden Disziplinen: Auflegen und Komponieren?
Simina Grigoriu / Sie verhalten sich zueinander wie Yin und Yang. Beim Auflegen hast du den direkten Publikumskontakt, es macht Spaß und ist locker. Die Stunden, die ich im Studio verbringe, sind im Vergleich dazu eine wirkliche Herausforderung, aber sie geben mir auch das Gefühl, etwas zu erschaffen. Klar, ein DJ-Set kann sich toll anhören. Aber es beinhaltet immer auch die Werke anderer. In einem selbstproduzierten Track spiegelt sich einzig deine eigene Vision.
Beat / Wird nicht ein Großteil dieser Vision heutzutage von Technologie ersetzt?
Simina Grigoriu / Technologie ist auf jeden Fall sowohl unser bester Freund als auch unser schlimmster Feind. Jemandem wie der Elektronik-Pionierin Delia Derbyshire, die für den ursprünglichen Doctor-Who-Soundtrack verantwortlich war, standen noch keine Synthesizer zur Verfügung. Sie hat nur mit Sampling gearbeitet und Tonbänder geschnitten. Heute steht es jedem offen Musik zu produzieren. Aber die Ergebnisse sind immer noch an unsere menschliche Fähigkeit gebunden, Leidenschaft und Hingabe in ein Projekt einfließen zu lassen. Nur so ist es möglich, dass ein vollkommen unerfahrener Produzent einen riesigen Hit landet und auf einem wichtigen Label landet. So etwas kann nicht auf bestimmtes Equipment zurückgeführt werden. Sondern nur auf die Mühe und Zeit, die er investiert hat - und auf sein Talent.
Beat / Erzähl mir ein wenig, wie du deine Sets vorbereitest.
Simina Grigoriu / Während der Woche verbringe ich einige Stunden damit, neue Tracks zu sammeln und in Recordbox Playlisten einzustellen. Wenn ich dann aber einmal auf der Bühne stehe, bin ich ziemlich spontan. Ich lege niemals fest, wann ich einen bestimmten Track spielen werde. Du darfst nicht zu viel über die Dinge nachdenken! Schließlich musst du in der Lage sein, die Emotionen des Publikums zu fühlen. Stell dir vor, dass ich ein sehr hartes und düsteres Set vorbereitet habe, und dann legt der DJ vor mir mit gemächlichen 124 BPM auf. Dann versteht es sich doch von selbst, dass ich mich anpasse und mich zunächst langsam in mein Set hineintaste. Es gibt nicht Schlimmeres als einen DJ, der nicht auf das Publikum eingeht.
Beat / Das heißt, du kannst und willst gar nicht so genau benennen, was dich dazu bringt, einen bestimmten Track zu spielen und nicht einen anderen?
Simina Grigoriu / Ich mache mir zumindest nicht zu viele Gedanken darüber. Wenn ich ankomme, habe ich bereits meine Playlists sorgfältig zusammengestellt. Die Tracks, die weiter unten stehen, werden es ganz naturgemäß schwerer haben als die, die oben platziert sind. Das gibt als eine gewisse Ordnung vor. Außerdem mache ich oft Gast-Mixe und habe auch noch meine eigene Radio-Show Kuukou auf der Musikseite Data Transmission. So teste ich meine Musik im Vorfeld aus.
Beat / Aber ist das wirklich dasselbe wie im Club?
Simina Grigoriu / Wenn es zu Hause nicht funktioniert, wird es ganz gewiss auch auf der Bühne nicht funktionieren. Beim Techno musst du dir weniger Sorgen machen wegen harmonischer Reibungen und sollte doch einmal etwas „schräg“ klingen kann ich das durch entsprechende dynamische Anpassungen beheben. Unser Job als DJ besteht nicht nur darin, nette Platten miteinander zu verbinden. Du musst Probleme in Echtzeit lösen – und zwar schnell!
Beat / Was sind die schönsten Abschlüsse für ein Set?
Simina Grigoriu / Wenn die Leute machen und schwitzen und du ihnen nur noch beim Tanzen zuzusehen brauchst. Wenn du die Leute nicht zum Tanzen bringen kannst, hast du als DJ versagt. Ich berücksichtige auch den Ort, an dem ich auflege. In Frankreich zum Beispiel spiele ich immer am Ende K-Pauls Remix von Edith Piafs „Rien de Rien“. Das kommt gut an, weil das Publikum dazu eine direkte Beziehung hat. Für meine rumänischen Shows habe ich einen ähnlichen Track von Maria Tanase, die Edith Piaf Rumäniens. Mit diesen kleinen Tributen zeige ich den Gästen, dass ich mich für sie interessiere und vermittle ihnen ein Gefühl des Stolzes. Diesen Stolz spüre ich dann auch. Und er bindet mich noch enger an die Tänzer.
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