Dass Timo Maas mit Basti Grub und Eric Volta gerade mit „We Were Riding High“ eine sinnlich-psychedelische Bombe produziert hat, wird manche nur periphär interessieren. Denn im Zentrum von Maas' Schaffen steht immer noch das DJing. Tobias Fischer sprach mit Timo über Musik als Sprache, die Vorteile der Hypersensibilität und die Kunst, die Dinge ständig zu verbessern.
Beat / Ist das DJing nach so vielen Jahren immer noch spannend?
Timo Maas / Ich habe mit 13 Jahren ohne jegliches Vorwissen mit dem DJing angefangen. Inzwischen bin ich 48 und habe meine Fähigkeiten unter allen möglichen und unmöglichen Umständen erlernt. Ich war als Kind sehr schüchtern. Irgendwie habe ich früh verstanden, dass meine Liebe zur Musik, oder genauer gesagt die Musik selbst, für mich die beste Sprache war, um mit anderen zu kommunizieren. Das hat sich bis heute nicht geändert. Klar, die Musik ändert sich ständig, aber so solltest du als DJ gerade nach all den Jahren auch sein: Offen, flexibel und lernfähig und begierig … Liebe zur Musik und dem damit verbundenen Gefühl ist auch eine Essenz. Die größte Routine ist das Drumherum, das Reisen und allem, was damit verbunden ist. Aber jede Nacht ist anders, selbst in den gleichen Locations ... Da ist immer eine Herausforderung.
Beat / Wie siehst du deine Rolle als DJ – und welche Rolle spielt die Technologie dabei?
Timo Maas / Ein DJ hat ziemlich viel Macht und kann die Gefühle der Tänzer damit stark beeinflussen. Wenn du Clubber hast, die offen sind und dir idealerweise auch noch vertrauen, kannst du unglaubliche Augenblicke schaffen, die den Leuten im Gedächtnis bleiben. Ich verwende Technologie nur sehr bedingt in meinen DJ-Sets. Worum es für mich geht, sind die Musikauswahl und das Spielen des richtigen Songs zum richtigen Zeitpunkt. Damit baust du einen perfekten Trip auf – und das ist aus meiner Sicht viel wichtiger, als die Gäste mit deinen technischen Fähigkeiten zu beeindrucken.
Beat / Wie bereitest du dich auf diesen perfekten Trip vor?
Timo Maas / Ich nehme mir mehrfach in der Woche Zeit um Musik zu hören, mich vorzubereiten und die Musik aus zu wählen, die ich mit auf meine Reise nehmen werde. Abgesehen davon sind meine Sets komplett spontan, da ich die Stimmung eines Abends nicht vorhersagen kann. Ich komme einfach im Club an und „lese“ als Erstes die Crowd. Erst dann lege ich los. Alles, was danach folgt, ist eine spontane Kreation. Eine gute Stimmung ist diesem Prozess sicherlich zuträglich. Eine „Jazz Zigarette“ kann auch nicht schaden. Aber im Laufe der Jahre habe ich einen bestimmten Fluss entwickelt, bei dem ich nicht zu viel nachdenken muss, wie ich die Dinge angehe. Ich vertraue meiner Intuition.
Beat / Kannst du trotzdem ansatzweise versuchen zu erklären, wie du bei dem Aufbau eines Sets vorgehst?
Timo Maas / Es gibt ja grundsätzlich viele verschiedene Styles von DJing ... Ich persönlich stehe sehr auf die „Storyteller-DJs“, weil ich es einfach viel besser finde, auf eine „Reise“ mitgenommen zu werden als 2 Stunden – oder wie lange auch immer – den gleichen Stil/Sound zu hören ... Beispiele aus den späten 90ern sind auf jeden Fall Danny Tenaglia, Sasha & Digweed, Caspar Pound, und viele mehr ... Recht aktuell haben mich Robag Wruhme und vor allem auch Andrew Weatherall zutiefst beeindruckt! Was die konkrete Track-Auswahl angeht: Schon, wenn ich mich vorbereite, kann ich mir sehr genau vorstellen, wie ich ein Stück in einem Set einsetzen kann. Da hilft mir meine jahrelange Erfahrung ungemein. Und ich bekomme immer noch dieses euphorische Gefühl, wenn ich tolle Musik höre (lacht). Vor Ort – und das mag jetzt etwas seltsam klingen – erscheinen die Tracks oder Songs, die ich als Nächstes spielen möchte, dann einfach in meinem Kopf. Üblicherweise ein paar Tracks im Vorhinein. Zu weit im Voraus will man ja sowieso nicht planen, weil sich die Vibes und die musikalische Situation schnell ändern können. Und manchmal taucht auch etwas in meiner Vorstellung auf, das mein Set in eine ganz andere Richtung bewegt. Ich sehe es als ein Geschenk an, übersensibel zu sein.
Beat / Wie siehst du die Beziehung zum Publikum?
Timo Maas / Ich ziehe viel aus dieser Beziehung. Das gilt um so mehr, wenn du dieses vertrauensvolle Publikum hast, von dem ich vorher gesprochen habe. Meine Interaktion findet aber wirklich ausschließlich auf der musikalischen Ebene statt. Ich feiere mich nicht selbst. Dafür bin ich zu sehr darauf fokussiert, berührende Momente zu erschaffen. Kitschigen Scheiß, sichere Nummern oder „Hände in die Luft Bullshit“ gibt es bei mir nicht. Ich mag es, die Crowd vor den Kopf zu stoßen, manchmal sogar zu verstören. Die Idee dahinter ist, die Leute davon zu überzeugen, dass ein guter musikalischer Trip über den Sound hinausgehen darf, den sie erwartet haben.
Beat / Du bist jetzt schon seit fast vier Jahrzehnten aktiv. Wie funktioniert das in der Praxis - wie verbindest du dein tägliches Leben mit der Kunst und Musik?
Timo Maas / Ich habe keine festen Routinen. Ich bin Vater von zwei Kindern, die kontrollieren meine Routine ein wenig mehr als ich selbst (lacht). Die Grenzen zwischen den beiden Bereichen sind niemals nahtlos, aber irgendwie funktioniert es. Unser Geschäft fängt ja auch nicht um 9 Uhr morgens an und geht bis 5. Es läuft rund um die Uhr. Ich arbeite, wann immer es mir die Zeit erlaubt. Seit es am Tag oder in der Nacht, zu Hause oder auf Tour. Irgendwann verschwimmt das alles und wird eins.
Das Leben als Künstler erlaubt es dir, die ganze Welt zu sehen. Aber das macht dich noch nicht zum Politiker. Obwohl … in gewisser Weise sind wir letzten Endes doch Politiker. Wir bringen Leute zusammen, ganz egal, welcher Rasse oder Religion sie angehören, unabhängig von ihrem Geschlecht – vereint unter einem Ziel: Tanzen! Ein Freund hat mir vor vielen Jahren einmal gesagt: Timo, das sicherste Zeichen dafür, dass du ein Künstler bist, ist, wenn du dich selbst, die Welt und die Arbeit jeden Tag in Zweifel ziehst – und dann versuchst, die Dinge zu verbessern. Genau so sehe ich das auch.
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