Ratgeber

Komplettes Studio für unter 100 Euro – Was bringen Synth-Apps für iOS?

Synthesizer – eine tolle Erfindung, aber es gibt so viele, die etwas ganz besonders gut können und weswegen man sie einfach haben muss. Ruckzuck läppern sich die Anschaffungen und das Konto leidet. Es gibt jedoch ­Apps-Alternativen, die zugleich günstig sind und viele Vorteile liefern. Synth-Freak und Beat-Leser Carsten Herbst berichtet ...

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In meinem Studio habe ich drei iPads und ein Surface Pro 4 fest installiert. Die Halterungen sind an für mich ergonomisch günstigen Stellen an meinem Tisch festgeschraubt, damit die Tablets einen festen Platz haben und die Kabel aus dem Weg sind. Alle iPads sind mit UR22 bzw. UR44 Audiointerfaces von Steinberg ausgestattet, über die sie einerseits den Akku laden können und andererseits einen vernünftigen Audio-Out haben. Außerdem hat so jedes iPad einen eigenen MIDI-Anschluss. Geeignet sind übrigens alle USB-Interfaces, die Class Compliant sind, also keine separaten Treiber benötigen. Beinah alle aktuellen Interfaces erfüllen diese Voraussetzung.

Die Audio-Ausgänge der iPads landen in Behringer XR18 Mixern, von denen ich insgesamt vier in meinem Studio kaskadiert habe. Das Surface Pro ist über ein USB/MIDI-Interface ins Studio eingebunden und der Audio-Out geht ebenfalls in einen XR18. Ich kann also jedes Tablet mit je 16 MIDI-Kanälen ansprechen. Die Power, die sich daraus ergibt, ist gigantisch!

Über Apps wie StudioMux oder Audiobus 3 kann ich pro Tablet 16 Apps mit je einem eigenen MIDI-Kanal direkt ansprechen wie einen externen Hardware-Synth. Außerdem kann ich jeder App auch AudioUnits als Effekte zuweisen. Die Grenzen werden hier nur durch die Rechenleistung der ­Tablets definiert. Abseits der Klangerzeugung gibt es den Vorteil, dass ich die Steuer-Software für die XR18 Mixer auf die Tablets legen kann. Somit habe ich direkte Kontrolle über je 16 Kanäle pro Tablet. Die Steuer-App bietet sogar Multitouch, fühlt sich also beinahe wie ein echter Mixer an. Und da die Konsole selbst fast nichts an Rechenpower braucht, kann ich das Routing zu den Synth-Apps im Hintergrund laufen lassen.

Wer sein Studio ausbauen will und schon ein Tablet hat, sollte sich seine Synths einfach als App kaufen. Günstiger geht’s nicht

Meine App-Empfehlungen

Da die Apps vom Preis her geradezu lächerlich tief liegen, habe ich eigentlich so ziemlich alle Synths, die es gibt. Bei einem Durchschnittspreis von 5 - 20 Euro pro App dürfte das für jeden erschwinglich sein. Das wirklich Tolle daran ist: Einmal eine App gekauft, ist sie parallel auf jedem iOS Gerät einsetzbar. Das ist ungefähr so, als würde ich mir nicht nur einen Minimoog kaufen, sondern gleich mehrere! Und dann klingen die nicht nur authentisch, sondern sind auch noch vierstimmig polyphon. Viele richtig gute Synthesizer kosten auf dem iPad sogar nichts, wie beispielsweise Synth One von Audiokit. Dieser Synth ist für sich alleine schon sehr fett. Einer der teuersten Apps wiederum ist LayR mit 25 Euro, aber zum einen ist sie 16-fach multitimbral und bietet zum anderen 256-stimmige Polyphonie oder im extremsten Fall 256 monophone Layer. Diese App ist eine der besten VA-Synths, die ich kenne, ob App oder Plug-in.

Hardware und ­Controller für die Haptik

Abgesehen vom Preis und dem wirklich guten Handling der Tablets, ist der größte Vorteil die Auslagerung der Rechenpower weg von der DAW. Gerade das Surface ist hier wichtig, denn es kann die Last der VSTs ebenfalls auslagern.

Aber auch an anderer Stelle macht das Surface richtig Sinn, z. B. wenn man VCV Rack 2 oder Voltage Modular nutzt. Ich benötige gar nicht die VST-Version von VCV Rack, sondern starte es nur auf dem Surface Pro und schon ist es in meinem Setup ansteuerbar. Apropos steuern: Zusammen mit einem Midi Fighter Twister von DJ Techtools als Hardware-Controller macht das richtig Laune und kostet nur einen Bruchteil eines echten Modularsystems.

Welches Tablet sollte es sein?

Auf die Frage, welches Tablet ich nun empfehlen würde: Ganz klar das iPad Pro mit 12“ Screen. Aber für den Studiobetrieb ist auch das Surface Pro extrem nützlich, da es wie erwähnt VST-Plug-ins auslagern kann. Zu erwähnen wäre da noch z. B. der VArranger, der eine richtig gute Begleitautomatik bietet und kompatibel zu diversen Style-Formaten ist. Der VArranger schreit geradezu nach einem Tablet, weil die Touch-Bedienung deutlich mehr Sinn macht als eine Maus. Wenn ich auf dem Surface Pro das Viper Plug-in von Adam Szabo laufen lasse, habe ich quasi einen kompletten Virus TI2 im Studio, für einen Kurs, der nicht unterboten werden kann. Und die Tablets gibt es auch deutlich günstiger als die meisten Synths auf eBay.

Flexibilität und Mobilität

Das beste Feature das mich von Anfang an am meisten überzeugt hat, ist allerdings die extreme Flexibilität, denn ein iPad ist eben nicht „nur“ ein weiter Synthesizer im Setup, sondern kommt einem universellen Hardware-Tool gleich. Das iPad kann genauso auch eine komplett eigenständige DAW sein, wenn man Cubasis oder Nanostudio 2 nutzt. Und damit ist das iPad auch als Standalone-Workstation für unterwegs zu sehen, was deutlich mehr ist, als mir jede Standalone-Groovebox bieten könnte. Das einzige, was ich vermisse, ist das haptische Feedback einer Hardware-Groovebox, aber das lässt sich ja mit Controllern lösen und für unterwegs ist ein Tablet nahezu konkurrenzlos.

6 Must-have-Apps, die auf jedes Tablet gehören

AudioKit Synth One

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Bis zu 6-stimmig polyphoner Synth mit Frequenzmodulation. Fünf Oszillatoren, LFOs, Filter und Hüllkurven sind am Start. Für direkten Spielspaß sorgen mehr als 300 Presets, die von typischen Analog-Bässen über scharfe Lead-Sounds und dichten Pads reichen. Plus polyphoner Arpeggiator, 16-Step-Sequenzer und über 100 alternative Skalen und Stimmungen.

audiokitpro.com  |  kostenlos 

KV331 SynthMaster One

Dank der Wavetable-Synthese können geschraubte Ergebnisse sehr vielfältig ausfallen - ob Vintage-­Sounds oder moderne Dubstep-Klopper, vieles ist möglich. Eine üppige Effekt-Sektion, viele Modulations-Optionen, Polyphonie, ­Arpeggiator und Step-Sequenzer sowie die sehr gute Klangqualität machen das Instrument zu einem ­echten Arbeitstier.

kv331audio.com  |  19,99 Euro

Minimoog Model D & Animoog Z

Zwei absolute No-Brainer aus dem Hause Moog. ­Neben den klassischen Synthesizer-Eigenschaften wie Ladder-Filter, drei Oszillatoren, schnelle Hüllkurven etc. birgt Model D auch vierfache Polyphonie und einen Arpeggiator. Beim Animoog Z wiederum dreht sich alles um Modulationen, also Bewegung im Sound. Grafisch toll gemacht, Sampling ­inklusive und kostenlos!

moogmusic.com  |  14,99 Euro (Model D)kostenlos (Animoog Z) 

Living Memory LayR

Des Sounddesigners Liebling: Multitimbraler Synthesizer mit bis zu 256-facher Polyphonie. Ein ­Instrument kann aus bis zu 128 (!) Synths bestehen, die sich bis ins Detail bearbeiten und verdrehen lassen. Dazu gibt es eine Kombi aus ­Arpeggiator und Sequenzer, volle MIDI-Kompatibilität und zahllose Presets. Für rund 25 Euro gibt es ­nirgends mehr.

livingmemorysoftware.com  |  25,99 Euro

Steinberg Cubasis

Einer der mächtigsten und stabilsten Audio- und MIDI-Sequenzer für das iPad. Die DAW begeistert mit einer hohen Audioqualität, einer professionellen Ausstattung sowie umfangreichen Import- und Exportfunktionen. Dank konsequenter Nutzung der Multitouch-Fähigkeiten des Tablets glänzt sie zudem mit einem hohen Bedienkomfort. Eine App, die jeden Cent wert ist.

steinberg.net  |  29,99 Euro

Bryce Hostetler Tonality Music Theory

Wer Songs schreiben oder Musik produzieren und sich beim Finden von Melodien nicht auf reines Try-&-Error verlassen will, kommt um Musiktheorie nicht herum. Mag das Thema auf den ersten Blick noch so trocken wirken, spätestens mit Tonality wird es zum Spaß und Kinderspiel, nicht zuletzt wegen der ausgezeichneten Haptik. Uneingeschränkt zu empfehlen!

tonality-app.com  |  5,99 Euro

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