Korg erweitert seine ARP Odyssey Serie um ein Hardware-Modul und die iOS-App Odyssei. Wir haben uns den Vergleich analog vs. digital nicht nehmen lassen - und waren extrem überrascht über das Ergebnis!
Korg ARP Odyssey Modul
Den legendären MS-20 Synthesizer hat Korg zunächst als Software für PC und Mac neu aufgelegt, es folgte eine App für iOS und erst dann der Nachbau als Hardware. Beim Arp Odyssey geht Korg in Kooperation mit ARP den umgekehrten Weg. Erst wurde Anfang 2015 der Odyssey in leicht verkleinerter Version als Hardware neu aufgelegt, jetzt folgt mit Odyssei die iOS-App und vielleicht in naher Zukunft auch ein VST-Plug-in mit passendem Hardware-Controller? Nahezu zeitgleich veröffentlicht Korg aber auch eine neue Hardware-Version, das Odyssey-Modul ohne Tastatur. Ein cleverer Schachzug, schließlich war die nicht einmal anschlagdynamische und nur mäßig gut spielbare Minitastatur einer der größten Kritikpunkte an der ersten Neuauflage. Mit 599 Euro kostet das Modul auch nur etwa halb so viel, wie für die Tastaturversion verlangt wurde – mittlerweile ist das Keyboard aber auch schon für unter 800 Euro erhältlich. Wer auf Tasten nicht verzichten will, kann auch auf den neu angekündigten Fullsize-Odyssey warten, der allerdings erst im Sommer in limitierter Auflage lieferbar sein soll und zudem mit 1559 Euro deutlich teurer angesetzt ist. Ein weiterer Kritikpunkt ist beim Modul leider geblieben: die magere MIDI-Implementation. Immerhin kann das Modul jetzt endlich Pitchbend-Informationen verarbeiten, andere MIDI-CCs wie Modulation oder Velocity werden aber weiterhin ignoriert.
Aufgrund der fehlenden Tastatur spart das Modul etwa 12 Zentimeter an Tiefe und 1,3 Kilo an Gewicht gegenüber dem Vorgänger ein. Geblieben ist die sehr robuste und langlebige Verarbeitung, von der Besitzer des Originals nur träumen dürfen. Ein Hartschalenkoffer wird nicht mehr mitgeliefert, dies bleibt der Keyboard-Variante vorbehalten.
Klangerzeugung
Damit sind die wesentlichen Unterschiede auch schon abgehandelt, denn Klangerzeugung, Bedienelemente, Anschlüsse und vor allem der Sound sind identisch mit der Tastaturversion. Der Odyssey setzt zwei Oszillatoren mit Sägezahn- und Puls-Wellenformen zur Klangerzeugung ein, ergänzend sind ein Ringmodulator und weißes beziehungsweise pinkes Rauschen an Bord. Es folgt das Tiefpassfilter mit Auswahlschalter für die drei Revisionen des Originals, ein einfacher Hochpass und ein Verstärker. Als Modulatoren gibt es zwei Hüllkurven mit ADSR- und AR-Charakteristik sowie einen LFO, der Sinus- und Rechteck-Schwingungen erzeugt. Erwähnenswert ist auch das Sample-&-Hold-Modul, dem R2D2 seine „Stimme“ verdankt.
Eine Besonderheit des Odyssey ist sein Routing-Konzept. Die Wellenformen der VCOs und des LFO werden nicht in ihren Bediensektionen, sondern bei den Zielen ausgewählt. So können Sie beispielsweise für Tonhöhen- und Filter-Modulationen verschiedene LFO-Wellen heranziehen. Eine weitere Eigenheit des Odysseys ist seine Duophonie. Wenn Sie zwei Noten gleichzeitig spielen, verteilt der Odyssey die beiden Oszillatoren auf die zwei Notenwerte. Gerade in Verbindung mit dem guten Ringmodulator lassen sich auf diese Weise sehr spannende und interessante Ergebnisse erzielen. Da der VCA bei Bedarf auf Dauersignal geschaltet werden und der LFO auch die Hüllkurven triggern kann, ist der Odyssey in Verbindung mit dem Sample&Hold-Modul eine wahre Spielwiese für alle Arten von Drones und gehaltenen rhythmischen Ambient-Klängen.
Anschlüsse
Sämtliche Anschlüsse sind auf der Rückseite angesiedelt. Zur Verbindung mit analogem Equipment dienen sechs Miniklinke-Buchsen für Gate, Trigger und Pitch. Der Ausgang ist als XLR- und Klinkenbuchse ausgelegt. Der Eingang für externe Signale kann mit dem Kopfhörerausgang verbunden werden, um die vom Minimoog bekannte Feedbackschleife und die dadurch entstehende Sättigung zu erzielen – ein passendes Kabel wird gleich mitgeliefert. Da der Neuauflage zudem mit Drive-Gain auch eine interne Übersteuerungsmöglichkeit spendiert wurde, lassen sich so jede Menge satte und fette Analogsounds erzeugen.
Über einen zusätzlichen Eingang regeln Sie mit einem Pedal oder einer anderen CV-Quelle die Tonhöhe von VCO2 oder die Filterfrequenz, ein Fußschaltereingang für Portamento ist ebenfalls vorhanden. Digital angesteuert wird das Modul per MIDI oder USB, die Stromversorgung übernimmt wie beim Keyboard leider ein externes Steckernetzteil. Das Odyssey Module ist in zwei verschiedenen Designs (REV1 und REV3) erhältlich.
Korg Odyssei App
Oberfläche und Klangerzeugung der Hardware wurden für die Odyssei-App nahezu identisch übernommen bzw. virtuell nachgebildet. Sie haben auf einer Seite daher alle Regler direkt im Blick und müssen nicht zwischen verschiedenen Seiten, Menüs oder Fenstern wechseln. Auch die zusätzlichen Optionen für Unisono und bis zu 8-fache Polyphonie finden Sie hier, zudem eine virtuelle Tastatur mit drei Oktaven. Kehrseite der Medaille ist, dass die einzelnen Bedienelemente aufgrund der großen Anzahl sehr klein ausgefallen sind. Es ist schon äußerst fummelig, auf einem iPad Air die Schieberegler exakt einzustellen. Zwar wird die Arbeit dadurch erleichtert, dass ein Kästchen oberhalb oder unterhalb des Faders oder Schalters den aktuell gewählten Wert anzeigt, der ja sonst vom Finger verdeckt ist. Es passiert aber dennoch oft, dass der eingestellte Wert sich bei Absetzen des Fingers wieder ein wenig verstellt.
Da bei einem Odyssey bereits kleinste Werteänderungen große klangliche Auswirkungen haben können, vor allem bei Nutzung von Ring- und Frequenzmodulation, hätten wir uns zumindest eine Alternativansicht gewünscht, die die einzelnen Fader größer abbildet. Selbst bei einem iPad Pro haben wir lieber den Apple Pencil als die Finger genutzt, aber das kann bei solch Touch-orientierten Geräten nicht die Lösung sein. Andere Firmen wie z.B. Moog haben mit ihren Apps bereits vorgemacht, wie sich ein Synthesizer für mobile Geräte optimieren lässt. Und auch die anderen Apps von Korg sind besser zu bedienen, hier besteht also noch dringender Updatebedarf.
Arpeggiator und Effekte
Odyssei bietet auf einer zweiten Seite Zugriff auf einen Arpeggiator und diverse Effekte. Wobei Arpeggiator eher ein Understatement ist, denn es handelt sich um einen ausgewachsenen Step-Sequenzer, der über die Tastatur getriggert und transponiert wird. Für bis zu 16 Schritte stellen Sie mit den entsprechenden Fadern die Tonhöhe, Oktavlage und Notenlänge individuell ein. Drei weitere Sequenzerlinien können frei wählbare Parameter der Klangerzeugung modulieren. Hinzu kommen verschiedene Abspielreihenfolge, Temposync mit wählbarem Teiler und die Möglichkeit, gehaltene Akkorde zu modulieren, ohne sie in Einzelnoten aufzusplitten. Ein fantastisches Tool, das wir uns sehnlichst auch als Hardware wünschen; der iMS20-Sequenzer ist ja schließlich auch in abgespeckter Version als SQ-1 in Hardware gegossen worden. Der Arpeggiator lässt sich per MIDI-Clock mit externem Equipment synchronisieren, wir hoffen im Rahmen eines Updates auf Ableton Link, das in anderen Korg-Apps bereits integriert ist.
Auch die Effekte sind eine willkommene Ergänzung. Distortion ist ein erstaunlich gut klingender Digitalverzerrer, der bei moderater Einstellung auch ganz ordentlich den oben beschriebenen Feedback-Trick der Hardware simulieren kann. Es folgen diverse Modulationseffekte, von Phaser über Flanger bis Chorus. Den Abschluss bilden 4-Band-Equalizer, Stereo-Delay und Reverb. In Verbindung mit der 8-stimmigen Polyphonie sind dadurch auch jede Menge typischer Butter-und-Brot-Synthesizersounds im Stile eines handelsüblichen VA wie Virus & Co. möglich, was zahlreiche der mitgelieferten Presets unter Beweis stellen wollen. Die wirklichen Stärken eines Odyssey liegen aber in anderen Bereichen und vor allem bei prägnanten Syncleads und perkussiver Ringmodulation. Odyssei lässt sich in Korgs beliebte Gadget-App integrieren, deren Portierung für Mac-OS bereits angekündigt ist. Möglicherweise können Sie also auch Odyssei bald auf dem Mac nutzen.
Vergleich ARP Odyssey vs. Odyssei App
Wir haben zunächst den reinen Oszillatorsound verglichen, und bereits hier sind Unterschiede schwer wahrnehmbar. Allerdings stimmten die Ergebnisse des Tuning-Faders bei der App nicht ganz mit unserer Hardware überein, und auch die Oktav-Spreizung scheint nicht komplett identisch zu sein. Gut zu hören ist dies bei dem Klangbeispiel mit zwei leicht gegeneinander verstimmten Sägezahn-Wellen, die im unteren Bereich nahezu identisch klingen, sich im oberen Bereich aber unterscheiden. Bei den Beispielen auf der DVD spielt übrigens immer zuerst die App, dann die Hardware im Wechsel. Mittlerweile hat Korg im Rahmen eines Updates aber eine zusätzliche Option eingebaut, die eine gleichmäßige Stimmung beider Oszillatoren über den gesamten Tastaturbereich ermöglicht. Auch die Pulswelle klingt bei unterster Stellung des Pulsweiten-Faders bei der App etwas offener und voller, wie im Soundbeispiel zu hören ist. Hier muss die Pulsweite etwas enger gestellt werden, um einen identischen Klang zu erzeugen. Ansonsten hat sich Korg bei der Kalibrierung der Parameter aber sehr eng an der Hardware-Neuauflage orientiert, Sounds ließen sich nahezu 1-zu-1 übertragen. Bei anderen virtuellen Emulationen wie dem Oddity von Gforce ist hier deutlich mehr Feintuning notwendig.
Auch den Klang der drei verschiedenen Filter hat Korg hervorragend nachgebildet. Äußerst positiv überrascht waren wir über das klangliche Ergebnis der Oszillator-Synchronisation bei gleichzeitiger Modulation der Tonhöhe des Slave-Oszillators durch die Hüllkurve. Der Original-Odyssey war der erste Kompaktsynthesizer, der dieses Feature integriert hatte, und der charaktervolle Sync-Sound ist durchaus Erkennungsmerkmal dieses Synthesizers. Auch der Sync der Hardware-Neuauflage klingt hervorragend, vor allem in Verbindung mit dem Ringmodulator. Dies ist ein Bereich, in dem viele Plug-ins und auch virtuell-analoge Synthesizer klanglich teils deutlich unterlegen sind. Nicht aber die Odyssei-App: Hier muss man schon sehr genau hinhören, um überhaupt Unterschiede wahrnehmen zu können. Auch die typischen Ringmodulation-Klänge bringt Odyssei überzeugend zu Ohr. Subjektiv klingt das Hardware-Modul dabei zwar vielleicht einen Tick definierter und sauberer, im Songkontext halten wir aber auch diesen Unterschied für absolut vernachlässigbar.
Haptik & Features
Der reine Klang ist aber nicht allein das entscheidende Kriterium bei einem Synthesizer. Aufgrund des eher unkonventionellen Aufbaus entstehen beim Odyssey viele spannende Sounds beim Schrauben und Rumprobieren und oftmals auch gerade dann, wenn Sie eigentlich einen ganz anderen Klang einstellen wollten. Hier punktet das Hardware-Modul mit der geräumigen Oberfläche und den langen, angenehm schwergängigen Fadern. Bei der App werden Sie beim Schrauben dagegen wenig Spaß haben, zu fummelig ist die Bedienung der kleinen virtuellen Fader mit den Fingern. Glücklicherweise lassen sich alle wichtigen Parameter per angeschlossenem MIDI-Controller fernsteuern. Die Controller-Nummern sind allerdings fest vorgegeben, der Hardware-Controller sollte also frei programmierbar sein. Hatten wir schon eigentlich schon erwähnt, dass wir uns von Korg einen passenden Hardware-Controller wie zu der MS-20 Software wünschen? Auch die Anbindung an externes Equipment funktioniert mit dem Odyssey-M dank USB, MIDI und CV/Gate unkomplizierter.
Andererseits stehen natürlich auch gewichtige Gründe auf der Habenseite der App. Das Abspeichern von Sounds wünscht sich wohl jeder Besitzer eines Hardware-Odyssey, ebenso wie die bis zu 8-fache Polyphonie, die völlig neue Klangmöglichkeiten eröffnet. Auch der Arpeggiator/Step-Sequenzer ist ein riesiger Vorteil der App, und die eingebaute Effektkette ist ebenfalls nicht zu verachten. Abends auf dem Sofa oder im Bett eben noch eine Basslinie im DAF-Stil schrauben und abspeichern ist ein Komfort, von dem beim Erscheinen des Originals in den 70ern nur die kühnsten Visionäre geträumt haben. Den deutlich günstigeren Preis erwähnen wir nur kurz am Rande, da die App ja auch zusätzliche Hardware in Form eines neueren iPads/iPhones mit 64-Bit-Unterstützung benötigt.
Das ARP Odyssey Module ist der verbesserte Nachfolger der Keyboard-Version. Den Verlust der Minitasten wird wohl kaum jemand betrauern, zumal aufgrund des günstigeren Preises durchaus auch noch eine gute Tastatur im Budget mit drin ist. Zudem ist das Modul etwas kompakter und leichter ausgefallen, und dank Pitchbend-Unterstützung lassen sich Solo-Linien jetzt auch überzeugend über eine vernünftige externe Tastatur spielen. Klanglich überzeugt auch der Odyssey-M mit kernigem und flexiblem Analogklang, wie er heutzutage nur noch selten auf dem Markt zu finden ist.
Umso überraschter waren wir, wie originalgetreu die iOS-App Odyssei diesen kräftigen und charaktervollen Klang nachbilden kann. Wenn Ihnen Speicherbarkeit, Polyphonie, Arpeggiator, Effekte und Portabilität wichtiger sind als die Haptik eines echten Analog-Synthesizers, stellt die App eine echte Alternative zur Hardware dar.
Dieser Artikel ist in unserer Heft-Ausgabe Nr. 136 erschienen.
- sehr gute Verarbeitung/Haptik (ARP Odyssey Module)
- kräftiger Analogklang (ARP Odyssey Module)
- Sync, Ringmodulation (ARP Odyssey Module)
- duophon (ARP Odyssey Module)
- MIDI-Pitchbend (ARP Odyssey Module)
- originalgetreuer Klang (Odyssei App)
- Arp/Step-Sequenzer (Odyssei App)
- Polyphon (Odyssei App)
- viele Effekte (Odyssei App)
- speicherbar (Odyssei App)
- keine Velocity (ARP Odyssey Module)
- fummelige Bedienung (Odyssei App)