Test

Getestet: Ist die Roland TR-09 genau so druckvoll wie das Original?

Mit dem TR-09 bringt Roland eine moderne Version des legendären Drumcomputers TR-909 auf den Markt. Doch kann (und will) der Neue dem kultigen Original das Wasser reichen? Henning Schonvogel wagte sich an den neuen alten Klassiker!

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Der Drumcomputer TR-909 wurde 1983 von Roland vorgestellt. Das Gerät nutzt ein für die damalige Zeit überaus innovatives Hybridsystem zur Klangerzeugung. Kick, Snare, die drei Toms, der Rimshot und die Clap beruhen auf analogen Schaltungen. Für Hi-Hats und Cymbals werden Samples mit einer Auflösung von 6 Bit eingesetzt. Dank seines durchsetzungsstarken, mitreißenden Sounds entwickelte sich der Bolide schnell zu einer festen Größe im Bereich der elektronischen Musik. In Genres wie House oder Techno gilt er, gemeinsam mit dem Vorgänger TR-808, bis heute als der Drum-Standard schlechthin.

Mit der TR-09 möchte Roland nun eine moderne Version des Klassikers an den Start bringen. Sie beruht nicht länger auf analogen Schaltungen und Samples, sondern nutzt die Analog-Circuit-Behavior-Technologie des Herstellers, um Schlagwerk zu kreieren. Hinter dieser Bezeichnung verbirgt sich ein Softwaresystem, das Schaltkreise von Vintage-Instrumenten bis in kleine Details nachbilden soll. ACB-Technik kam auch schon im TR-8 zum Einsatz. Der nach wie vor erhältliche Drumcomputer vereint die Sounds von TR-707, 727, 808 und 909 in einem Gerät, kann auf den ersten Blick also deutlich mehr als die Neuerscheinung. Allerdings bietet der TR-09 laut Roland weiter optimierte Algorithmen, welche die klanglichen Qualitäten des Urgesteins angeblich noch besser nachstellen. Zudem ist das jetzt erschienene Gerät ein ganzes Stück kleiner und bringt einige frische Zusatzfeatures mit. Kann sich der Winzling aber tatsächlich mit dem großen Vorbild messen?

Erster Eindruck der Roland TR-09

Beat hatte Gelegenheit, ein Vorserienmodell des TR-09 in Augenschein zu nehmen. Das Äußere des Instrumentes erinnert dank beige-grau-orangener Farbgebung stark ans Original. Mit den Maßen 31 mal 13 mal 5 Zentimetern nimmt der TR-09 aber nur einen Bruchteil des alten Analoggeschützes auf dem Studiotisch in Anspruch. Das Gehäuse ist zumeist aus Metall gefertigt, lediglich die Unterseite besteht aus Kunststoff. Ein integriertes Klappsystem macht es möglich, das Gerät in zwei Positionen anzuwinkeln. Durch den kompakten Formfaktor fallen Drehregler und Taster ziemlich klein aus. Zudem liegen die Bedienelemente oftmals nahe beieinander, was hemmungslose Schraub-Sessions weiter erschwert. Positiv zu vermerken ist hingegen die Qualität der Komponenten. Entgegen manch anderem Budget-Instrument gab es schon beim Vorserienmodell keine nennenswerten Wackelkandidaten, insgesamt geht die Haptik also durchaus in Ordnung. Alle Drehregler sollen in der Lage sein, MIDI-CC-Daten zu senden.

Kleinigkeit

Das Bedienkonzept der TR-09 hält sich über weite Teile ans Vorbild. Durch das eng gepackte Design und die Zusatzfeatures waren aber natürlich einige Anpassungen nötig. Dennoch lässt sich das System schnell erlernen. Bei den Anschlüssen hat Roland modernisiert, an einigen Stellen aber auch den Rotstift angesetzt. Ärgerlich: Es gibt auf analoger Ebene keine Einzelausgänge. Fast jedenfalls, denn die Stereosumme im Miniklinken-Format lässt sich, nach Angaben vom Hersteller, in linken und rechten Kanal „auftrennen“. So kann zumindest eine Subgruppe geformt und separat von den restlichen Schlaginstrumenten prozessiert werden. Mittels des Micro-USB-Anschlusses ist mehr möglich. Hier gibt es Master-Wege plus vier frei belegbare Einzelausgänge.

Ferner lassen sich mit dem Computeranschluss MIDI-Daten verwalten und Backups anfertigen. Der TR-09 wird vom Rechner wie ein Laufwerk behandelt, Dateien sind also einfach verschiebbar. Einen Editor braucht man nicht. Zu guter Letzt ist der USB-Port auch für die Stromversorgung zuständig. Wer fern von Mac und PC Musik machen möchte, muss also ein Adapter-Netzteil hinzukaufen oder auf Batterien setzen. Vier AA-Zellen reichen laut Roland für circa sechs Stunden Betrieb. MIDI-Daten lassen sich in diesem Fall mittels DIN-Schnittstellen senden und empfangen. Auf analoger Ebene gibt es als weitere Buchsen einen Kopfhörerweg und einen Mix-Eingang. Letzterer schleift eingehendes Audiomaterial in Richtung des analogen Ausganges durch. Zur Direktbeschallung bringt der Drumcomputer einen kleinen Lautsprecher mit. Eine nette Idee für unterwegs.

Eine Anmerkung am Rande: Da das Kompaktpult Mix Performer MX-1 einen USB-Port mit Bus-Power besitzt, kann der TR-09 direkt angeschlossen werden. Verfügt man allerdings schon über einen Boutique-Synthesizer mit gleichem Stromversorgungskonzept, muss man sich anders behelfen. Außerdem lassen sich hier auch via USB keine Einzelausgänge nutzen.

Altbekannte Roland TR-909

Die Klangerzeugung des Drum-Synths umfasst, getreu der TR-909, jeweils eine Bassdrum und Snare, Rimshot sowie drei unterschiedlich gestimmte Toms. Ferner sind Clap, geschlossene und offene Hi-Hat sowie Crash- und Ride-Cymbal enthalten. Alle Instrumente bringen Lautstärkeregler mit. Zusätzlich gibt es, ebenfalls pro Drum, einen Gain-Parameter, der via Tastenkombination aufgerufen und editiert werden kann. So lassen sich die einzelnen Stimmen vor dem Auftritt in ein ordentliches Pegelverhältnis zueinander setzen. Die Lautstärke-Potis können dann für schnelle Abwandlungen während der Performance genutzt werden; eine clevere Ergänzung gegenüber dem Original. Auch Tune- und Decay-Parameter sind für jedes Instrument vorhanden. Allerdings haben nur einige Drums entsprechende Bedienelemente dabei, der Rest lässt sich erneut via Tastenkombination abwandeln. Die Kick besitzt ferner einen Attack-Regler. Der Snare-Sound kann per Tone- und Snappy-Potentiometer weiter modifiziert werden. Als wichtigste „Taktgeber“ bieten diese beiden Instrumente darüber hinaus Kompressoren. Anstatt sich mit einzelnen Parametern wie Ratio oder Schwellenwert abmühen zu müssen, was im Live-Betrieb etwas umständlich wäre, gibt es lediglich einen Wert zur Bestimmung der Bearbeitungsstärke.

Fast richtig

Klanglich liegen die Drums des TR-09, wie von Roland versprochen, nahe am Vorbild. Kick und Snare liefern typisch präzisen, kräftigen Sound. Durch die Kompressoren lassen sich beide Instrumente kompetent in den Vordergrund rücken. Wilde Spezialeffekte sind mit den Dynamikwerkzeugen allerdings nicht machbar, sie arbeiten stets subtil. Rimshot und Clap unterstützen durch Bassdrum und Snare erstellte Beat-Grundgerüste sehr gut. Gleiches gilt auch für die fülligen Toms. Alternativ können sie als einfacher Bassline-Ersatz herhalten. Hi-Hats und Cymbals wirken im Vergleich zum Klassiker deutlich zahmer. Grund hierfür ist der beim TR-09 weniger präsente Höhenbereich. Auch die anderen Instrumente des Drumcomputers weisen diesen Charakterzug auf, nur beeinflusst er diese nicht ganz so massiv.

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Dennoch muss man insgesamt sagen, dass sich der TR-09 mit der jetzigen Firmware nicht so durchsetzungsstark wie das Techno-Urgestein zeigt. Ob Wandler oder Software dafür verantwortlich sind, konnte bis zum Redaktionsschluss nicht geklärt werden. Vermutlich schafft Roland das „Problem“ aber mit dem Release der Firmware 1.0 aus der Welt. Eine andere Frage ist, inwiefern das Ganze wirklich ein Problem darstellt. Denn rein subjektiv wusste der leicht düstere Sound nämlich sehr gut zu gefallen. Die Parameterauswahl des Schlagwerks wirkt, in Zeiten üppig ausgestatteter Software-Drumcomputer und Drum-Sampler oder spezialisierter Modular-Hardware, natürlich ein wenig überholt. Durch die Reduzierung auf das Wesentliche und den hohen Spaßfaktor, der sich dank der direkten Bedienung ergibt, dürfte die TR-09 dennoch viele Nutzer zu neuen Track-Ideen anregen.

Komposition mit der Roland TR-09

Der Sequenzer bietet Platz für 96 Pattern. Sie sind in zwei Bänke mit jeweils drei Gruppen aufgeteilt, die wiederum je 16 Speicherslots enthalten. Das Abspieltempo kann zwischen 40 und 300 BPM liegen. Alternativ zur Verwendung der internen Clock lässt sich das Gerät mit einer DAW oder anderem MIDI-Equipment synchronisieren. Um Rhythmen abzufeuern, bedarf es nur weniger Handgriffe. Wird eine neue Sequenz angewählt, beendet der TR-09 zunächst das gerade aktive Pattern, bevor er wechselt. Die Aufnahme von Rhythmen kann schrittweise oder in Echtzeit erfolgen. Für letztere Betriebsart ist ein Metronom an Bord. Das Trommeln auf den Mini-Tastern fühlt sich natürlich nicht so komfortabel an wie von Pads größerer Drum-Boliden gewohnt. Dank automatischer Quantisierung sollte man aber dennoch schnell zu überzeugenden Ergebnissen kommen. Geht mal ein Versuch komplett in die Hose, können Spuren einzelner Instrumente direkt im Aufnahmemodus gelöscht werden. Schläge auf Bassdrum, Snare, Toms und die geschlossene Hi-Hat lassen sich in normaler Stärke oder mit Akzentuierung notieren. Die anderen Sounds werden immer betont gespielt. Wie deutlich sich normale und hervorgehobene Schläge voneinander unterscheiden, ist mithilfe eines Potis kontrollierbar.

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Neben den Instrumentenkanälen bietet jedes Pattern noch eine weitere Spur. Sie gibt, via zugehöriger Miniklinken-Buchse, Trigger-Signale an die Außenwelt ab. Eine sinnvolle Ergänzung, um etwa eine Bassline zu takten oder mit einem Modular-System erstellte Effekt-Sounds auszulösen.

Zahlenspiele

Ein Pattern der TR-09 kann maximal 16 Schritte fassen. Im Prinzip jedenfalls, denn Notenwerte lassen sich um eine halbe Stufe nach hinten verschieben. Somit hat man praktisch bis zu 32 Schritte zur Hand. Das Taktraster kann auf 1/16tel, 1/32tel sowie 1/8tel-Triolen und 1/16-Triolen geeicht werden. Polyrhythmische Ergebnisse sind mit der TR-09 leider nicht machbar, alle Spuren eines Pattern haben stets dieselbe Länge. Clever: Setzt man eine offene Hi-Hat auf einen Schritt, der bereits mit einer geschlossenen Hi-Hat bedacht wurde, löscht der Sequenzer diese automatisch. Shuffle-Funktionen bringen Rhythmen ordentlich zum Grooven. Fertige Pattern lassen sich auf weitere Speicherplätze kopieren, um Variationen zu erstellen. Hierfür sind die Flam-Funktionen von Bassdrum, Snare und den Toms eine tolle Sache. Der zeitliche Abstand zwischen den einzelnen Schlägen des Spieleffektes kann angepasst werden. Wem das Fassungsvermögen eines Patterns nicht ausreicht, hat die Möglichkeit, mehrere Rhythmen zu verketten. Darüber hinaus gibt es einen Song-Modus. Hier lassen sich acht komplette Tracks inklusive zugehöriger Tempowerte festhalten.

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Fazit

Man darf durchaus gespannt auf die Veröffentlichung des TR-09 sein. Zwar war das in Augenschein genommene Vorserienmodell klanglich noch nicht gleichauf mit dem Techno-Urgestein, kam aber schon nahe ran. Eventuell schafft es Roland bis zur Auslieferung erster Geräte, den TR-09 klanglich auf das Niveau seines Vorbilds zu bringen, sollte das überhaupt gewünscht sein. In puncto Funktionsumfang hält sich das ACB-System nahe ans Original, ergänzt um ein paar sinnvolle Zusatzfeatures. Ähnlich sieht es auch beim Sequenzer aus. Er bietet den gleichen Spielspaß wie das Kompositionswerkzeug des TR-909. Die Neuerungen sind auch hier klein, aber fein.

Bewertung
Name
Roland TR-09
Pro
  • kompaktes Design
  • berühmte Drum-Sounds
  • erweitertes Parameter-Angebot
  • Kompressoren
  • klassischer Sequenzer
  • editierbare Flam-Effekte
  • Trigger-Ausgang
  • einfache Bedienung
  • Batteriebetrieb
Contra
  • Drehregler eng beieinander
  • keine analogen Einzelausgänge
  • zahmer Höhenbereich
  • keine Polyrhythmik möglich
Preis
495 EUR
Bewertung
(75%)
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