Test

Test: System 100 - Behringer goes modular

Anfang der 80er-Jahre bot das Roland System-100m einen preisgünstigen Einstieg in die modulare Welt. Da es vor allem im Bereich Synth-Pop von Musikern und Bands wie Vince Clarke, Depeche Mode, Tears For Fears und Human League prominent eingesetzt wurde, entwickelte es sich zu einem begehrten Klassiker. Behringer bringt diesen dual aufgebauten modularen Synthesizer mit seinem System 100 nun im Eurorack-Format zurück und will damit einer neuen Generation einen günstigen Einstieg in den Modular-Synthie- Bereich ermöglichen.

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Modul-Auswahl

Wir haben uns aus einer handvoll Modulen ein kompaktes, aber dennoch flexibles, gut klingendes und für Euro- rack-Verhältnisse sehr preiswertes System zusammengestellt. Die Module sind zusammen für knapp 500 Euro zu haben, das zahlt man bei Rolands Nachbau System-500 fast allein für ein Modul. Einsteiger müssen noch etwa 150 Euro für ein passendes Case nebst Stromversorgung hinzurechnen, auch diesbezüglich ist Behringer momentan mit dem Eurorack 104 einer der günstigsten Anbieter auf dem Markt. Falls kein anderes Equipment wie ein Arturia KeyStep vorhanden sein sollte, sollte auch noch ein MIDI-to-CV/Gate-Interface eingeplant werden, um das System über die DAW oder ein externes MIDI-Keyboard ansteuern zu können.

Die Installation ist einfach: Jedes Modul enthält im Lieferumfang ein Flachbandkabel für die Stromversorgung, das per Stecker mit Modul sowie Case verbunden wird. Mit den ebenfalls mitgelieferten vier Schrauben schrauben Sie anschließend das Modul in das Rack.

Doppelter Oszillator

Die Besonderheit des System 100 ist der duale Aufbau der Module, die jeweils 16 TE Breite im Rack in Anspruch nehmen. Das bedeutet, dass jedes Modul doppelte Leistung bietet: Zwei Oszillatoren, zwei Hüllkurven, zwei Verstärker. Basis der 

Klangerzeugung ist der Dual VCO 112. Er besitzt zwei identisch aufgebaute, aber getrennt steuerbare analoge Oszil- latoren mit den Wellenformen Rechteck, Sägezahn und Dreieck, zwischen denen Sie mit einem kleinen Schalter wählen. Eine gleichzeitige Abnahme aller Wellenformen ist nicht möglich, dafür ist die Pulsweite manuell einstellbar oder kann über einen CV-Eingang moduliert werden (PWM). Schon die rohen Wellenformen sind richtig gut, mit transparentem und druckvollem Sound klingen sie frischer und lebendiger als beispielsweise die Plug-in-Emulationen von Roland, die wir zum Vergleich genommen haben.

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Sync und FM

Beide Oszillatoren verfügen über einen Sync-Eingang, der zwischen Weak und Strong umgeschaltet werden kann. Wenn Sie einen der beiden Ausgänge vom linken VCO mit dem Sync-Eingang vom rechten VCO verbinden und Sync auf Strong stellen, erhalten Sie bei Modulation der Frequenz von VCO2 per Hüllkurve oder LFO die klassischen schneidenden, obertonreichen Hard- sync-Leads. Bei Weak ist der Effekt etwas abgeschwächt. Wenn Sie den Ausgang von VCO1 dagegen direkt mit einem Modulationseingang von VCO2 verbinden, ist das Ergebnis dieser Fre- quenzmodulation ein herrlich klarer und drahtiger FM-Sound, wie ihn aktuell nur analoge Technik wirklich überzeugend hinbekommt. Emulationen klingen in dem Bereich meist statischer, oftmals harsch und mit digitalen Artefakten versetzt. Hier zahlt sich auch der weite Regelbereich der Tonhöhe mit Fußlagen von 32‘ bis 2‘ aus.

Hinzu kommt ein Regler für Fine-Tuning, wobei man etwas Fingerspitzengefühl benötigt, um ihn sauber auf C zu stimmen.

Keine interne Verkabelung

Jeder Oszillator verfügt über zwei identisch beschaltete Ausgänge, über die Sie die aktuell für den VCO gewählte Wellenform abnehmen können. Hinzu kommen jeweils drei Steuereingänge mit individuellen Abschwächern, sodass Sie sich ein zusätzliches Attenuator-Modul sparen können. Den ersten Modulationseingang wird man in der Regel für Pitch-CV nehmen, also die Tonhöhe der aktuell gespielten Note. An dieser Stelle fällt ein Nachteil des Behringer-Systems z. B. gegenüber dem Nachbau von Roland auf: Die Module sind nicht „normalized“, es gibt also keinerlei interne Vorverkabelung. Im Regelfall werden Sie beide Oszillatoren mit einer Pitch-CV parallel ansteuern. Das bedeutet aber auch, dass Sie diese Pitch-Quelle mit den Eingängen beider Oszillatoren verbinden müssen, eine Verbindung mit dem Modulationseingang von VCO1 wirkt nicht automatisch auf VCO2. Sie benötigen also ein Multiple-Modul oder zumindest ein Stackcable, um das Signal zu verteilen.

Stabile Stimmung

Bei der ersten Auslieferungsserie gab es noch massive Probleme mit der Oktavreinheit und Stimmstabilität, hier scheint Behringer aber erfolgreich nachgebessert zu haben. Unser regulär im Fachhandel erworbenes Modul zeigte lediglich eine Abweichung von 5 Cent über 5 Oktaven an. Das macht etwa 1 Cent pro Oktave und ist damit selbst für geschulte Ohren kaum herauszuhören. Auch bei längerem Betrieb und der damit verbundenen Temperatursteigerung konnten wir keine gravierenden Probleme in der Stimmung feststellen, das Modul zeigte sich gut kalibriert.

Dual-Filter

Als nächstes Modul folgt das Dual-VCF 121. Es bietet zwei 24dB-Tiefpassfilter mit regelbarer Resonanz, jeweils mit zusätzlichem statischen Hochpassfilter (schaltbar in drei Stufen) zur Ausdünnung des Bassbereichs. Die Filter haben den typischen Roland-Sound, der Klassiker wie SH-101 oder Juno so beliebt macht. Sie klingen extrem musikalisch und schön cremig, verleihen dem Eingangssignal eine angenehme Wärme und bei hohen Resonanzwerten lassen sich herrlich harmonische Verzerrungen erzeugen. Typische SH101-Gummi- band-Bässe sind ebenfalls machbar. Auch Plug-ins, die wir im Test alternativ zum VCO-Modul durch die Filter gejagt haben, haben klanglich deutlich durch das Dual-Filter gewonnen, sodass sich das Modul auch als günstige Stereo-Filterbank empfiehlt. Gleich drei Eingänge stehen für jedes Filter zu Verfügung. Da jeder dieser Eingänge über einen eigenen Lautstärkeregler verfügt, können Sie direkt am Modul steuern, wie heiß das Filter vom Oszillatorsignal angefahren werden soll. Zudem ersparen Sie sich einen vorgeschalteten Mixer, da Sie problemlos neben den beiden VCO-Signalen auch Rauschen aus dem Noise-Generator des Ringmodulator-Moduls in regelbarer Lautstärke einschleifen können.

Auf der Unterseite finden Sie wie beim VCO-Modul drei Modulationseingänge mit eigenem Regler je Filter. Auch hier gibt es keine Vorverkabelung. Wenn Sie das System in Stereo betreiben wollen, müssen Sie die Filterhüllkurve also aufteilen und mit einem Eingang sowohl von Filter 1 als auch 2 verbinden, was für zusätzlichen Kabelsalat sorgt. Über zwei Ausgänge je Filter nehmen Sie das Audiosignal ab.

Zweifacher Verstärker

Das gefilterte Audiosignal wandert bei unserem System direkt in den Dual VCA 130. Wie beim Dual-Filter besitzt jeder der beiden Verstärkerkanäle drei Audioeingänge sowie drei Modulationseingänge für Hüllkurve, LFO (Tremolo, Amplitudenmodulation) oder andere Modulationsquellen. Jeder Kanal lässt sich individuell zwischen linearer und exponentieller Kennlinie umschalten. Theoretisch lässt sich der VCA daher nicht nur für Audiosignale nutzen, sondern auch als modulierbarer Attenuator für CV, was uns im Test aber nicht so richtig zuverlässig gelingen wollte. Initial Gain bestimmt die Lautstärke unabhängig von der Modulation. Das ist nicht nur für Drones oder beim Durchschleifen externer Signale wie Drumloops durch das Filter interessant, sondern Sie können auch mit schneller Hüllkurvenmodulation im Exponential-Modus die Transienten eines Bass- oder Percussion-Sounds betonen und mit Gain den „Body“ hinzufügen. Jeder VCA verfügt über zwei Ausgänge mit niedriger oder hoher Lautstärke, die das Audiosignal in einen Mixer, ein Effektgerät oder direkt in die Soundkarte führen.

Knackige Hüllkurven

Der Audio-Signalweg ist damit abgeschlossen. Je nach Verkabelung ist ein komplett in Stereo aufgebauter Sound möglich, mit individuellem VCO, VCF und VCA je Seite. Aber ganz ohne Modulation ist das Ergebnis nur ein statischer Klang. Hier kommt das Dual Env/LFO-Modul 140 ins Spiel. Es bietet zwei ADSR-Hüllkurven sowie einen LFO. Die Parameter der Hüllkurven lassen sich wie beim Filter über kleine Fader einstellen, eine eingebaute LED zeigt die aktuelle Stellung auch bei schlechten Lichtverhältnissen. Getriggert wird die Hüllkurve entweder manuell mit einem Taster oder aber im Regelfall über ein eingehendes Gate-Signal. Auch hier benötigen Sie entweder zwei Gate-Signale oder ein Multiple/Stackcable, um beide Hüllkurven zu triggern. Ausgangsseitig sieht es besser aus. Denn jede Hüllkurve besitzt zwei Ausgänge, die ohne Multiple zur Modulation beider VCF oder VCA-Kanäle genutzt werden. Hinzu kommt ein Ausgang für die invertierte Abnahme der Hüllkurve. Die Hüllkurve kann richtig schön knackig klingen und zuschnap- pen und ermöglicht in Kombination mit dem Filtermodul die SH-typischen Gummiband-Sounds, wobei im unteren Regelbereich von Attack wegen der kleinen Fader wieder Fingerspitzengefühl erforderlich ist. Auch langsam ansteigende Pads sind kein Problem.

Flexibler LFO

Zusätzlich zu den beiden Hüllkurven enthält das Modul einen flexiblen LFO mit fünf Wellenformen, die sich parallel in normaler und phaseninvertierter Version abnehmen lassen. Das ermöglicht neben typischen Einsatzgebieten wie Vibrato und PWM auch spannende Stereo-Modulationen in Verbindung mit Dual-VCF und Dual-VCO. Der LFO besitzt zusätzlich einen Trigger-Eingang, um die Wellenform per Gate/Trigger zu starten. Und auch ein CV-Eingang zur Steuerung der Frequenz ist vorhanden. Da sich die Geschwindigkeit in drei Stufen bis in den Audi- obereich (0,5 bis 30 Hz) schalten lässt, ist theoretisch auch eine Nutzung als dritter hörbarer Oszillator möglich. Leider trackt der Frequenzeingang ähnlich wie beim Behringer Crave aber nicht oktavrein, sodass eine auf dem Keyboard gespielte Oktave beim LFO nur für 10-11 Halbtöne reicht.

Ringmodulation & mehr

Für den experimentellen Bereich haben wir noch das Ringmod/Noise/S&H/LFO-Modul hinzugefügt. Der Ringmodulator verfügt über zwei Eingänge, von denen einer mit dem Rauschgenerator und der andere mit dem LFO vorverdrahtet ist. Wenn Sie die beiden Oszillatoren des Dual VCO mit den beiden Eingängen verbinden, am besten noch in Kom- bination mit Sync oder duophoner Ansteuerung, erhalten Sie schräge Sounds im schönsten Arp- Odyssey-Stil. Ein Sample&Hold-Generator mit frei einstellbarer oder per Clock-Eingang synchronisierbarer Geschwindigkeit sowie regelbarer Lag-Time für fließende Übergänge zwischen den Zufallswerten ist ebenfalls integriert und sorgt für spannende Filtermodulationen, die an Vince Clarke erinnern, oder aber für schräge Linien und Sci-Fi-Effekte bei Tonhöhenmodulation. Der Rauschgenerator besitzt vier Ausgänge, zwei für weißes und zwei für rosa Rauschen (besser für tiefe perkussive Sounds geeignet). Der LFO entspricht komplett dem im Envelope-Modul verbauten Exemplar.

Waldorf kb37

Für den Test haben wir die Module in ein kb37 von Waldorf verbaut, was sich als perfekter Partner erwies. Aufgrund der direkten Verbindung mit gutem Fatarkeyboard und Arpeggiator sowie der Möglichkeit, über Anschlagdynamik, Aftertouch und Modulationsrad, die Lautstärke, Filterfrequenz, LFO-Geschwindigkeit oder die Tonhöhe zu modulieren, konnten wir das System 100 ohne zusätzliche Hardware wie ein richtiges Instrument dynamisch spielen. Das kb37 unterstützt auch eine duophone Spielweise, sodass Sie zwei Tasten gleichzeitig spielen und damit die beiden VCO getrennt ansteuern können. Und dazu sieht das Ganze auch noch richtig schick aus – zumindest bis zur Verkabelung. Denn wie bereits angesprochen ist bei den dualen Modulen nichts vorverkabelt und es müssen für einen duophonen Stereo-Sound schon eine Menge Strippen gezogen werden. Dann wird es aber auch relativ schwierig, an die kleinen Regler zur Einstellung der Modulationsstärken heranzukommen. Auch die Fader sind nicht unbedingt riesengroß ausgefallen. Sie haben dafür aber den Vorteil, dass sich z. B. die Frequenzen beider Filter mit nur einer Hand gleichzeitig anpassen lassen.

Kombi-Modul

Wenn Sie auf die Sync-Option und ein paar Ein- und Ausgänge verzichten können, bietet sich alternativ das Kombimodul VCO/VCFVCA 110 an. Es kombiniert Oszillator, Filter und Verstärker auf 16 TE Breite, wobei der Signalpfad VCO→VCF→VCA bereits intern verschaltet ist, bei Bedarf aber durch Einstecken von Kabeln in die jeweiligen Buchsen aufgesplittet werden kann. Auch der Modulationseingang für das Filter wird automatisch mit dem VCA geteilt. So haben Sie mit zwei dieser Kombimodule sowie einem Hüllkurven-Modul bereits ein vollständiges Einsteiger-System mit zwei unabhängigen Stereo-Kanälen, was schon mit einer Handvoll Patchkabel funktionstüchtig verschaltet ist.

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Fazit

Nach einigen semi-modularen Synthesizern wie Neutron und Crave will Behringer jetzt auch in der Eurorack-Welt mitmischen. Und der Einstieg ist mit dem System 100 mehr als gelungen. Die Module sind solide verarbeitet, bieten viele Optionen, sind für Eurorack-Verhältnisse sehr günstig und das Wichtigste: Sie klingen hervorragend. Druckvolle, transparente Oszillatoren mit sehr gutem Grundklang und überzeugenden Sync- und FM-Sounds treffen auf ein äußerst musikalisches Filter im klassischen Roland-Stil. Der Ringmodulator bringt schräge, aber nie unangenehme Soundalternativen. Die flexiblen LFO sorgen für Lebendigkeit insbesondere bei Stereo-Sounds, für die das System aufgrund des dualen Aufbaus prädestiniert ist.

Da Behringer sehr viele Optionen auf kleinen Raum untergebracht hat und bis auf das Kombi-Modul keine interne Vorverkabelung vorgenommen hat, müssen Sie die Flexibilität allerdings mit relativ umfangreicher Verkabelung auf kleinem Raum erkaufen, was auf Kosten der Bedienbarkeit gehen kann.

Bewertung
Name
Behringer System 100
Website
Pro
  • originalgetreuer Sound
  • flexible Ausstattung
  • viele Ein-/Ausgänge
  • dual aufgebaut
  • sehr günstiger Preis
Contra
  • keine interne Vorverkabelung
Preis
85 Euro bis 105 Euro/Modul
Bewertung
(92%)
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