Gut Ding will Weile haben... definitiv zutreffend für u-he’s Debüt im modularen Sektor. CVilization bietet eine wahre Flut an Features auf minimalem Raum, die sich unmöglich in wenigen Worten beschreiben lassen. Eierlegende Wollmilchsau könnte passen. Oder Mix-Switch-Sequenz-Quantizer-und-Patternmutator-mit-Autopanner. Aber gehen wir doch lieber ins Detail ...
Es gibt Synths und Module mit sehr puristischem Ansatz und Bedienelementen, die allesamt nur jeweils einem einzigen Zweck dienen. Und es gibt die Gegenstücke, bei denen jeder Regler diverse Aufgaben übernimmt. CVilization gehört zur zweiten Gruppe und treibt das Prinzip auf die Spitze der Spitze. Hersteller u-he beschreibt das Modul als „Polymorphic CV & Audio Utility“, doch lässt sich kaum umfassend in Kürze ausführen, was es letztlich alles kann. Also bringen wir Licht ins Dunkel ...
In simpelster Funktion dient CVilization als Mixer in 24 Bit/96 kHz und +/-10 Volt mit je vier Ein- und Ausgängen für Audio- und CV-Signale. Die Eingänge können dabei zu beliebigen Ausgängen geroutet, gemixt und gemuted werden. Zwei weitere Eingänge dienen je nach Anwendung als Gate, Trigger oder zusätzliche CV-Signale. Doch das Herz des Moduls sind alle Anwendungen dazwischen. Denn die Signale können ordentlich in die Mangel genommen werden, etwa per Sample & Hold oder Quantisierung inklusive benutzerdefinierten Skalen. So wird selbst ein LFO plötzlich zum Lieferanten für Hooklines und harmonische Sequenzen.
Mixer & Sequenzer
Um die Übersicht zu erleichtern, ist CVilization in vier verschiedene Betriebsmodi unterteilt: In Mode 1 fungiert das Modul als Mixer und Quantizer, in Mode 2 als Switch mit Sequenzer, in Mode 3 als sogenannter Mucorder und Mode 4 hört auf die vielversprechende Bezeichnung Quadrophonic Panner.
Neben der Tätigkeit als Mixer kann das Modul in Mode 1 auch als Sample & Hold-Generator arbeiten sowie eingehende Signale quantisieren. Dazu werden acht Skalen gleich von Werk mitgeliefert, u. a. mit Major, Minor, Pentatonic, Phrygian und weiteren, doch auch benutzerdefinierte Skalen lassen sich aufnehmen. Dazu gleich mehr. Wie eingangs schon erwähnt wird ein LFO damit mal eben zum Sequenzer. Wirklich spaßig wird das natürlich erst, wenn mehrere Quellen gleichzeitig eingespeist werden und sich dann gegenseitig beeinflussen.
Mode 2 führt das Prinzip noch weiter fort, denn hier dient das Modul als Sequenzer für die eingehenden Signale. Geboten werden vier Patterns mit je bis zu acht Steps, wobei jeder Schritt entweder einen der Inputs durchschleift oder eine konstante CV-Spannung oder einen Zufallswert liefert. Ebenso kann ein Step aber auch leer bleiben oder die Sequenz pausieren. Folgen hinter einem leeren Schritt nur weitere leere, wird das Pattern automatisch gekürzt, sodass jede Sequenz zwischen eins und acht Steps lang sein kann. Da dieses Prinzip gleichermaßen für CV wie auch Audio funktioniert, kann CVilization nicht nur als vierfacher Sequenzer dienen, sondern auch als origineller Switch. Im Mode 4 sogar noch differenzierter ...
Recorder & Panner
Der dritte Modus mit dem geheimnisvollen Namen „Quad Mucoder“ ist ebenfalls ein Stepsequenzer, der bis zu 16 Schritte on-the-fly aufnimmt. Klassisches Step-Recording also. Das eigentliche Feature ist die Mutate-Funktion, mit der sich diese Patterns in variabler Intensität und in Echtzeit zufällig verändern lassen. Wie bei allen anderen Modi ebenfalls zu Skalen quantisierbar. Gerade Mutationen mit dezenter Intensität bringen über lange Zeit Spannung in ansonsten statische Sequenzen. Gefällt die Mutation, genügt ein Druck auf einen Poti und schon wird das aktuelle Pattern eingefroren und kann auch gespeichert werden.
Des Weiteren lassen sich die CV-Werte unterschiedlicher Eingänge miteinander mutieren bzw. sogar angleichen. Eine statische Bassline lässt sich damit beispielsweise mit jedem Durchlauf ein Stück mehr an eine Hookline anpassen. Oder zwei grundsätzlich verschiedene Melodien in den gleichen Soundkosmos hieven. Genial!
Der letzte Modus schließlich macht aus dem Modul einen Quadrophonic Panner, der die Signale eines Inputs an die vier Outputs verteilen kann. Dank eingebauten Zufallsgenerators wird CVilization damit im Handumdrehen zum Autopanner, einen externen Mixer vorausgesetzt. Mode 4 kann aber noch weitaus mehr, denn Panning ist nur die simpelste Option. Vielmehr kann CVilization zwischen den Outputs überblenden, was überdies mit beliebigen CV-Quellen modulierbar ist, bei Bedarf bis in den hörbaren Audiobereich. So lassen sich beispielsweise vier verschiedene Quellen wie LFOs, Hüllkurven oder Oszillatoren einspeisen, zwischen denen das Modul entweder fließend wechselt oder zufällig hin und her springt. Grenzen setzt hier nur die eigene Fantasie.
Presets und Skalen
So unterschiedlich die Anwendungen innerhalb CVilization auch sind, eines haben alle gemeinsam: Die Quantisierung anhand von Skalen, damit die Ergebnisse möglichst harmonisch ausfallen und sich im selben Spektrum bewegen. Die vorhandenen acht Skalen bilden dafür eine gute Grundlage, jedoch dürften es auch gerne ein paar mehr sein. Hierzu gibt es die Möglichkeit, Skalen direkt aufzunehmen. Einfach ein Keyboard (oder eine andere CV-Quelle) anschließen und die gewünschten Noten spielen. Oktave und Länge sind egal, das Modul erkennt bis zu zwölf Noten pro Skala, die sich anschließend auf einem von sieben Plätzen speichern lassen.
Wo wir gerade beim Speichern sind: Im Gegensatz zu seinem simplen Äußeren ist CVilization ein extrem komplexes Modul, dessen Settings ein gewisses Maß an Überlegungen fordern. Um so praktischer ist es, dass pro Modus sieben Slots für Presets verfügbar sind. Dank Support des Eurorack Standards„Select Bus“ können Besitzer von Modulen wie Malekko Varigate 8+, WMD Metron oder ES Select Bus Breakout weitere 128 Presets speichern und verwalten. Apropos Select Bus: Auch das Eurorack-eigene Bus Gate wird unterstützt, um eine eventuell vorhandene Clock zu verwenden. Alternativ auch über den Select Bus, sofern Sie kompatible Module im Rack haben.
Modi und Bedienung
Eine derartige Vielfalt braucht eine schlüssige Bedienung, vor allem auf so kleinem Raum. Jeder Modus bietet drei so genannte Pages: Performance, Program und Konfiguration. Beim Mixer beispielsweise lassen sich Ein- und Ausgänge über die Performance-Page mit den Reglern aktiv oder stumm schalten. Per Program-Page wiederum werden Lautstärke und Routing geregelt. Also gewünschten Poti auf der linken Seite drücken - dieser fängt dann an zu blinken - und anschließend mit den vier Reglern auf der rechten Seite die Lautstärke für den jeweiligen Ausgang einstellen. Die Helligkeit des Reglers gibt dabei Auskunft über die eingestellt Lautstärke. Per erneutem Druck auf den blinkenden Regler gelangt man zurück zur Performance-Page. Dieser Vorgang bzw. das Verhalten der Regler ist für alle Modi identisch, was die Navigation enorm erleichtert. Es braucht anfangs zwar einen Moment, bis man die Bedienung verinnerlicht hat und hier und da verliert man sich dann durchaus auch mal in den Optionen, doch schon nach einer guten Stunde navigiert man relativ zielsicher durch alle Features. Regelmäßige Übung ist allerdings Pflicht, sonst artet eine Live-Performance schnell in Frust aus. Eine tolle Hilfe sind hier übrigens das Handbuch und der offizielle Cheat-Sheet mit den wichtigsten Reglerbelegungen sowie die Tutorial-Videos des Herstellers. Großes Lob für die liebevolle und vor allem hilfreiche Arbeit.
Es ist nicht zu übersehen: CVilization ist ein wahres Arbeitstier und alles andere als ein Selbstläufer. Die Bedienung ist schlüssig und schlau gelöst, die verschiedenen Farben der Regler sind dabei eine gute Hilfe, aber die Navigation will verinnerlicht werden und das fordert Übung. Andererseits bietet das Modul jede Menge Features auf kleinem Raum und garantiert Kurzweil für lange Zeit. Vor allem aber ersetzt es bei extrem wenig Platzbedarf im Rack eine Handvoll andere Module, für die sonst hohe Anschaffungskosten fällig wären.
Musikalisch ist es dank der einzigartigen Mutate-Funktion ein großer Bonus für jedes Rack, vor allem im Zusammenspiel mit der Quantisierung und den Skalen. CVilization ist aufgrund seiner Komplexität sicherlich nicht die erste Wahl für jeden Modular-Nutzer, doch wer nach einem musikalischen Schweizer Taschenmesser fürs Rack sucht, kommt damit definitiv auf seine Kosten. Glückwunsch zum mehr als gelungenen Debüt!