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Portrait: Orlando Voorn - Nimmermüder Techno-Veteran

Seit den 80ern ist der Niederländer Orlando Voorn aktiv und hat unter den verschiedensten Projektnamen wie Basic Bastard, Fix, Format, Frequency oder The Nighttripper oder seinem eigenen Namen Genres wie Techno, House, Drum’n’Bass, Ambient, Hip-Hop oder Electro erforscht. Auch mit Vertretern der Detroit-Techno-Szene wie Juan Atkins, Derrick May oder Blake Baxter kollaborierte er und siedelte schließlich selbst in die USA über. Wir sprachen mit dem emsigen Producer über die Techno-Bewegung früher und heute, die Magie des Detroit-Sounds, denkwürdige Kollaborationen und wie sich sein eigener Produktionsansatz über die Jahre gewandelt hat.

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Beat / Wie ist es dir seit dem letzten Album „Moments In Magic“ (2020) ergangen? Hattest du Zeit zum Entspannen oder bist du direkt in die nächste Produktion gesprungen?

Orlando / Musik machen ist für mich Entspannung. Ich bin täglich damit beschäftigt und mein Ziel ist es, meine Fähigkeiten zu perfektionieren und je nach Stimmung musikalische Reisen zu unternehmen. Ich mache, was immer mich antreibt. Die erste Regel ist, dass ich es selbst mögen muss, bevor es an die Öffentlichkeit geht. Ich lebe von der Musik, deshalb muss ich immer auf der Höhe der Zeit sein. Das ist viel besser als jeder „9 to 5“-Job. Daher nehme ich meine Sachen ernst und mit der heutigen Technologie kann ich alles in einem viel kürzeren Zeitraum erledigen als zu Beginn der 90er-Jahre.

Beat / Du bist seit einer Weile in den USA ansässig. Wann bist du dorthin gezogen und wo wohnst du?

Orlando / Als ich ungefähr 34 Jahre alt war, zog ich nach Detroit, weil ich das zu diesem Zeitpunkt aufgrund einer Scheidung konnte. Ich wollte schon immer nach Detroit gehen und dort viel länger bleiben als nur die gelegentlichen zwei Wochen. Also entschied ich mich, das Risiko einzugehen und machte es einfach. Zu dieser Zeit war Trance-Musik in den Niederlanden sehr beliebt. Das machte mich wahnsinnig und ich wollte mich lieber mit Leuten umgeben, die verstehen, woher ich musikalisch komme. Detroit schien die beste Option zu sein. Ich habe dort bei Submerge Records das Sublabel Ignitor Records gegründet und es ging mir ein paar Jahre lang recht gut. Dann kam die Liebe um die Ecke und ich zog nach Seattle/Washington. Jetzt wohne ich in Georgia und fühle mich hier gut, da ich so laut Lärm machen kann, wie ich möchte.

Beat / Wie siehst du als Pionier des frühen Techno die Szene heute? Fühlst du immer noch die gleiche Aufregung? Ist es überhaupt noch eine „Szene“?

Orlando / Der Unterschied zwischen den Anfängen und heute ist sehr groß. Früher ging es darum, wie talentiert man war und es war alles viel persönlicher. Man traf Leute in den Plattenläden, kaufte Platten zusammen mit anderen, die einem dann schon mal einen Haufen neuer Importe in die Hand drückten. Es war noch möglich, verschiedenen Stilen nachzugehen. Später zersplitterte alles in Subgenres, in denen man nur noch einen Musikstil hört. Ob Techno, House, Breakbeat, Electro und so weiter ... alles kam in eine eigene Schublade. Es hat aber alles seine guten und schlechten Seiten. Das Gute ist, dass man sich nicht zu einem Stil hinreißen lassen muss, den man nicht ertragen kann. Andererseits scheint es mir ziemlich langweilig, den ganzen Abend lang den gleichen Stil zu hören, es sei denn, ein DJ kann ihn zu etwas Besonderem machen und einen auf die Reise mitnehmen. Was ich nicht verstehe und nicht unterstütze, ist Techno ohne Seele und ohne Gefühl: Ein pumpender Beat, ein Breakdown und Boom, geht es zurück zum gleichen langweiligen Beat. Ich mag es, von der Musik auf eine Reise mitgenommen zu werden, und denke, es gibt nur ein paar bekannte DJs, die wissen, wie das geht, und höchstwahrscheinlich gibt es irgendwo da draußen ein Genie mit genau dem richtigen Geschmack, aber nicht mit dem Ehrgeiz, es der Welt zu zeigen. Ein DJ wird jetzt eher nach Likes und Followern bewertet. Es ist vor allem ein Geschäft. Business Techno eben. Die sogenannten Top-DJs veröffentlichen Tracks, die von Dritten produziert wurden, und machen dann das Liebeszeichen, wenn sie ihre „eigene“ Platte spielen. Abgesehen davon gibt es großartige Musik zu entdecken. Jedoch eher unter der Oberfläche.

Beat / Du hast viel mit der Detroit-Szene zusammengearbeitet. Was hat deren Sound besonders für dich gemacht?

Orlando / Er ist gefühlvoll, verspielt, energisch und presst den Funk aus den Maschinen. Diese Verbindung hatte ich früher nicht nur zum Detroit-Sound, sondern zu allem Revolutionären, das in dieser Zeit geschah. Electro-Hip-Hop und Disco mochte ich auch sehr. Als ich zum ersten Mal den Detroit-Techno hörte, fand ich diese rohe Art, Tracks zusammenzustellen, wirklich toll. Später entwickelte sich daraus eine ausgefeiltere Produktion, die voller Seele ist. Das Wichtigste ist, dass es mich packt, bewegt und motiviert, etwas in diesem Stil zu kreieren und mich darauf einzulassen. Ich denke auch, dass ich großes Glück hatte, in dieser Zeit dabei zu sein, weil alles anders war. Alles beruhte auf gegenseitigem Respekt und man betrachtete das Ergebnis dessen, was jemand tat. Ich erinnere mich, dass ich Kevin Saunderon ein DAT-Band mit „Fix Flash“ und „Dope Computer“ gegeben habe. Er wollte es im Auto hören. Während ich im Studio blieb, fuhr er also los und kam dann zurück und sagte, wir sollten „Flash“ auf die A-Seite und „Dope Computer“ auf die Rückseite packen. Es war so, als wäre ich schon die ganze Zeit dabei gewesen. Alles lief ganz reibungslos.

Beat / Gibt es eine Person, von der du am meisten gelernt hast?

Orlando / Von Juan Atkins habe ich ein sehr wichtiges Detail gelernt – dass es keine Regeln gibt, denn sie beschränken dich und hindern dich daran, innovativ zu sein. Ich habe auch viel von Steve Clisby gelernt, einem Musiker, der mir die Akkordstrukturen beibrachte. Ich denke, ohne wäre ich in Bezug auf Produktionen nicht so stark gewachsen. Außerdem weiß ich, dass ein Produzent in erster Linie Intonation haben muss. Man muss wissen, was von einfach bis komplex zusammengehört. Ein wahrer Produzent wird mit diesen Fähigkeiten geboren. Das kann man nicht wirklich lernen. Es ist in dir, und es ist für mich ein Muss, dass du diese Fähigkeiten hast. Das gilt auch für DJs. Wenn du taub bist, such dir bitte einen anderen Beruf, denn alles, was du machst, ist, die Ohren des Publikums zu malträtieren. Ich habe am meisten gelernt, indem ich Menschen beobachtet habe, die ich in dieser Zeit bewundert habe, und die mich dazu inspiriert haben, selbst Dinge zu tun.

Beat / Es ist erstaunlich, wie viele Aliase du in deine Karriere verwendet hast. Was ist der Grund für die vielen Namen?

Orlando / Der hohe Output. Ich habe jede Menge Veröffentlichungen und auf diese Weise konnte ich sie stetig vorantreiben und erst später fanden die Leute heraus, dass ich sie alle gemacht habe. Es war auch eine Möglichkeit, verschiedene Arten von Tracks zu machen. Nighttripper spricht z. B. eher die härtere Techno-Seite an, wohingegen Format eher Detroitish House Post Techno ist.

Beat / Gibt es ein „Projekt“, das für dich das wichtigste ist?

Orlando / Derzeit habe ich viele Projekte, die noch anstehen und die für mich sehr wichtig sind. Aber der erste große Erfolg, den ich hatte, war mit dem Format-Track „Solid Session“. Diese Platte zusammen mit Fix „Flash“ war mein Durchbruch. Auch meine Zusammenarbeit mit Juan Atkins und Infiniti bei „Game One“ wurde zu einem riesigen Klassiker. Ich denke, das sind meine wichtigsten Veröffentlichungen.

Beat / Welche Musik magst du heute? Verfolgst du die aktuellen Entwicklungen auf dem Markt?

Orlando / Ich bin mit vielen Musikstilen aufgewachsen. Heutzutage setze ich das in meine eigenen Produktionen ein – kleine Elemente aus jedem Genre. Ich werde vielseitig auf den neuesten Stand gebracht. Aber ich bin ehrlich, ich vergeude nicht viel Zeit damit, anderen Dingen zuzuhören, es sei denn, es erregt wirklich meine Aufmerksamkeit. Ich produziere täglich selbst Musik und natürlich kann ich andere Sachen nicht so oft anchecken, weil ich die meist Zeit mit meiner eigenen Musik verbringe. Auf diese Weise schaffe ich es auch nicht von Stilen abgelenkt zu werden, mit denen ich nicht in Verbindung gebracht werden möchte. Ich bin immer auf der Suche nach dem perfekten Beat.

Beat / Kürzlich hast du die neue EP „Internal Destination“ veröffentlicht. Hattest du eine Vision, bevor du angefangen hast, die Tracks zu produzieren?

Orlando / Es gibt eine Geschichte hinter dieser Scheibe. Ursprünglich war es ein Projekt, das ich zusammen mit Morgan Anson abschließen und veröffentlichen wollte, der Soul Stage Records gegründet hat. Aber Morgan starb kurz bevor die EP veröffentlicht werden sollte. Wie ich produziere, hängt von der Stimmung ab. Ich wusste zum Beispiel, dass dies im Gegensatz zu härterem Zeug eher melodischer Techno sein würde. Aber Musik machen ist wie Malen. Alles muss zusammenpassen.

Beat / Hast du beim Komponieren die Clubs im Sinn?

Orlando / Ja, das war bei dieser EP der Fall, aber man kann sie auch gut zu Hause hören. Die meisten Dinge, die ich gemacht habe, waren ja eher tanzflächenorientiert, aber ich genieße es auch, mit einer Produktion etwas völlig anderes zu probieren. Ich denke, es ist wichtig, dass es sich irgendwie abhebt.

Beat / Wie sieht dein Setup heute aus?

Orlando / Heute bin ich super-einfach unterwegs. Ich mache alles auf einem MacBook Pro mit Yamaha-Monitoren und einem M-Audio-Controller.

Beat / Welche DAW benutzt du?

Orlando / Ich verwende meistens Ableton und Reason. Ableton ist eine perfekte DAW für mich. Es ist eine Leinwand, die man ohne Einschränkung ausfüllen kann. Und wenn es mal ein Problem gibt, gibt es Möglichkeiten, dies zu umgehen. Reason wiederum ist großartig für das Detroit-Zeug. Ich benutze es ziemlich oft, mische es aber lieber in Ableton.

Beat / Du bist heute also eher Software- statt Hardware-Liebhaber?

Orlando / Ich bin mit Analogtechnik aufgewachsen, aber heute mache ich alles digital. Meine langjährige Erfahrung, wie man die eigene Arbeit färbt und mischt, hat mir natürlich sehr geholfen. Ich möchte die Analogsachen keineswegs dissen, aber es hat mich enorm verlangsamt. Ich saß vor dem Oberheimer OB-Mx und drehte ein paar Stunden lang Knöpfe, nur um etwas raus zu bekommen. Ich war wirklich niedergeschlagen, weil ich viel Zeit verschwendet hatte. Im Moment bin ich fünfmal produktiver. Wenn ein Track nicht funktioniert, kommt er in den Mülleimer und ich springe direkt zum Nächsten. Totale Automatisierung ist sehr leistungsstark.

Beat / Wenn du so schnell arbeitetest, hast du eine Taktik, wie du angesichts der Vielzahl an Möglichkeiten bei der Soundsuche schnell zum Ziel kommst?

Orlando / Ich habe einfach gelernt, dass weniger mehr ist. Aber man sollte sicherstellen, dass man eine hervorragende Klangqualität hat und gute VSTs verwendet.

Beat / Bist du ein Technik-Nerd, der immer auf dem neuesten Stand ist und ständig neue Software kauft?

Orlando / Nein, aber ich bin ziemlich wählerisch in Bezug auf Sounds und was ich verwende.

Beat / Gab es in den letzten Jahren Tools, die für dich ein „Gamechanger“ waren?

Orlando / Nein, nicht wirklich, aber ich erinnere mich, dass ich am PC gearbeitet habe, bevor der Mac herauskam, und es war ein Albtraum. Ich denke, Steve Jobs hat die kreativen Produzenten mit kleinem Budget und größeren Träumen wirklich gerettet. Ich arbeite seit über 12 Jahren auf demselben Mac. Es ist alles eine Kopfsache und wichtig ist, das eigene Equipment zu erkennen. Auch meine Lautsprecher sind großartig und ich kenne sie aus dem FF.

Beat / Gibt es spezielle Zutaten wie Effekte, die du immer wieder verwendest, um deinem Sound einen Stempel zu verpassen?

Orlando / Natürlich sind Effekte und Komprimierung etc. das i-Tüpfelchen im Mix. Vor allem, wenn man eine klare, offene Mischung möchte, es aber trotzdem drücken soll. Ich bin ein Level-Pusher und fahre den Pegel gerne in den heißen Bereich. Ich kenne den Unterschied jetzt aber sehr gut und weiß, dass eine gute Mischung mit einer guten Produktion und guten Zutaten beginnt. Wenn man das nicht hat, wird die Mischung nie korrekt sein.

Beat / Wie weit geht dein Perfektionismus im Studio? Ist es schwierig für dich, ein Lied loszulassen?

Orlando / Nein, heute nicht mehr. Früher war es so, als ich noch alle analogen Geräte zusammen mit ein paar Outboard-FX hatte. Jetzt kann ich schneller produzieren und entweder speichern oder löschen, was ich habe, und zu so vielen Projekten wechseln, wie ich möchte. Auf diese Weise werde ich nicht in eine Sache verstrickt und kann die Dinge am nächsten Tag mit frischen Ohren beenden. Die meiste Zeit bin ich durchaus Perfektionist. Ich kann aber auch faul sein und denke zu schnell, dass etwas gut genug ist. Wenn ich es dann später höre, sage ich zu mir selbst: „Wow, das war aber scheiße!“ Das passiert den Besten von uns, aber in 90 % der Fälle weiß ich genau, wann es fertig ist.

Beat / Wie geht es bei dir weiter?

Orlando / Ich habe gerade einen Projektvertrag für vier Tracks bei Axis unterschrieben. Ich habe die Tracks in drei Tagen gemacht und sie rübergeschickt. Seine Antwort kam sehr schnell. Wir werden wohl in Zukunft noch mehr zusammen machen. Das ist ein Sci-Fi-Raum-lastiges Projekt. Stellt euch vor, wie es sich anhört, wenn Außerirdische elektronische Musik machen. Ich habe viele Veröffentlichungen später für dieses Jahr anstehen von Soulful Funk House mit besonderen Gästen, über ein Jazz-Album bis hin zu Kollaborationen mit Amp Fidler für Burek Records und mit Mike Banks von UR. Ich erwarte auch, dass es Remix-Arbeiten für Funakelic geben wird, da der Vertrieb plant, deren Alben neu aufzulegen. Ein weiteres Ziel ist es, mit George Clinton und Bootsy Collins an einem meiner Funk-orientierten Werke zusammenzuarbeiten. Dies sind nur einige Dinge. Es kommt noch viel mehr.

www.facebook.com/orlando.voorn

Equipment, das Orlando im Laufe der Jahre verwendet hat:

EMU SP1200

Akai MPC3000

Oberheim OBMX Module

Oberheim Matrix 1000 Plus Controller

Yamaha DX 100 Jupiter 6

Genelec Nearfield

Genelec Big Fellas

Allen & Heath GS 32

Foster 16 Track Tape Recorder

Otari 24 Track 2 Inch Tape

DDA Profile 56 Channel Automated Plus Patchay

Neve Console 48 Channel

Roland W30

Alesis Quadrasynth

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