Musik und Künstliche Intelligenz, passt das zusammen? Schon lange existieren Tools, die Musiker mit mehr oder weniger schlauen Algorithmen unter die Arme greifen. Was aber, wenn die KI eigene Melodien kreiert, das Mastering übernimmt und sogar ein Cover-Artwork entwirft? Technisch ist das möglich, wenngleich es keinen kreativen Künstler ersetzen kann, sondern eher als Starthilfe zu sehen ist, wenn die Inspiration mal Pause macht. Was die KI kann und was nicht, wie du die beste Software für dich findest und am Ende mehr Spaß beim Produzieren hast, zeigen wir dir im großen Spezial.
Wegweiser: Die 4 Phasen der Produktion
So bringt die KI mehr Zeit & Spaß
Von den einen geliebt, von anderen gehasst: Künstliche Intelligenz ist ein zweischneidiges Schwert. Eigentlich toll, wenn müßige Aufgaben und Zeitfresser von einem Automaten übernommen werden. Andererseits ist Musik ein so kreativer Schaffensprozess mit menschlichen Ergebnissen, dass eine Maschine als Urheber geradezu absurd scheint. Deswegen haben wir den Werdegang einer Produktion von der Idee bis zum Release in vier Abschnitte unterteilt und zeigen dir, wie die KI jeweils ganz gezielt weiterhelfen kann. Picke eine Problemzone heraus, nutze die gebotenen Tools und bleib im Flow. Am Ende hast du mehr Zeit für den Spaß am Sound!
Damit der Mix auch rummst
Vor allem Mixdown und Mastering können Hürden darstellen, wenn man mit Kompressoren, EQs und Limitern auf Kriegsfuß steht. Da kommen Helfer, die den „ultimativen Mix“ und „Druck ohne Ende“ versprechen, doch gerade recht. Daher zeigen wir dir in Phase 3 nicht nur die besten Tools, mit denen sich ein Mix abschließend in Form bringen lässt, sondern auch, wie du damit umgehst, damit sie nichts verschlimmbessern.
Starthilfe für die Inspiration
Einen Track komplett von der KI entwerfen zu lassen, ist nicht Sinn der Sache. Aber wenn die Kreativität mal bockt oder die Zeit knapp wird, gibt’s zum Glück praktische Helfer, die Starthilfe geben, damit der Flow nicht schon gleich zu Beginn ins Stocken kommt.
Vom Loop zum Track
Das allseits bekannte Problem: der Beat ist da, eine Idee gefunden, vielleicht sogar der Aufhänger für den ganzen Song. Aber alles, was über den berüchtigten 8-Bar-Loop hinaus geht, will einfach nicht fruchten. Deswegen zeigen wir dir in Phase 2 schlaue Tools, mit denen du einen Loop schneller zu einem Grundgerüst für einen ganzen Track machst. Arbeit gibt es danach immer noch, aber der unkreative Part des Verschiebens von Clips und Blöcken wird damit deutlich reduziert.
Das perfekte Bild zum Sound
Midjourney... schon mal davon gehört? Der „Zeichenkünstler“ wird in den Sozialen Medien gefeiert, „malt“ er doch in Sekundenschnelle komplexe Kunstwerke, die nur ein paar Stichworten als Anleitung bedürfen. Die Resultate sind wahrlich beeindruckend und bieten sich durchaus als Artwork für einen Release an. In Phase 4 zeigen wir dir also, wie du deinen Sound mithilfe von Midjourney und Stable Diffusion in eine Bildform konvertierst, um deinen Release mit dem nötigen visuellen Impact zu versehen.
Phase 1: Beatmaking
Starthilfe für die Inspiration
Einen Track komplett von noch so schlauen Algorithmen entwerfen zu lassen, ist nicht Sinn der Sache. Aber wenn die Kreativität mal bockt oder die Zeit knapp wird, gibt’s zum Glück Tools praktische Helfer, die Starthilfe geben, damit der Flow nicht schon gleich zu Beginn ins Stocken kommt. Die auf den folgenden Seiten vorgestellten Tools für Phase 1 helfen dir beim Finden von Sounds und Chord Progressions, beim Erstellen von Grooves und auch beim Thema Vocals.
Algonaut Atlas 2
Atlas präsentiert sich in nüchterner Optik mit Drumpads und der so genannten Samplemap, die aus unzähligen Punkten besteht, die jeweils ein Sample repräsentieren. Je nach Art des Samples fällt seine Farbe aus, vordefinierte Begriffe die Clap, Snare oder Kick helfen bei der Übersicht. Neue Kits lassen sich schnell und ohne lästiges Wühlen im Browser erstellen, denn wird eine Snare gesucht, liegen diese sprichwörtlich alle auf einem Haufen.
Wem das nicht schnell genug geht, klickt auf „New Kit“ und - hier kommt die KI ins Spiel - schon sucht Atlas selbst Samples zusammen, um das Kit zu füllen. Die zuvor geladenen Kategorien bleiben dabei aber erhalten. Wo sich vorher eine Kick befand, wird per Zufall eine neue Kick ausgewählt. Die Auswahl der Samples kann überdies noch mit einem Like oder Dislike bewertet werden, was die Auswahl des Algorithmus beim nächsten neuen Kit beeinflusst.
Die wahre Stärke des Step-Sequenzers liegt einmal mehr in der künstlichen Intelligenz. So lassen sich entweder einzelne Spuren oder das ganze Pattern automatisch wahlweise leicht variieren oder komplett neu auswürfeln.
Atlas ist ein praktischer, einfach zu handhabender Drumsampler, dessen Schwerpunkt nicht endlos variables Sounddesign ist, sondern das blitzschnelle Finden von Sounds und Erstellen von Drumkits. Als inspirierender und unglaublich schneller Groove- und Ideen-Lieferant ist Atlas 2 kaum zu schlagen.
www.algonaut.tech | 99 US-Dollar | Win, Mac
Audiomodern Playbeat 3
Playbeat ist ein Groove-Randomizer mit vier Spuren, in den du per Drag & Drop oder über den Browser ein beliebiges Sample laden kannst. Dabei muss es sich nicht zwingend um Drums oder Percussion handeln, auch mit anderen kurzen Sounds lassen sich spannende Grooves erzeugen. Bei jedem Sample lässt sich der Startpunkt anpassen. Jedes Sample besitzt eine eigene Sequenzerspur mit bis zu 16 Steps. Für jeden Step lässt sich einstellen, ob der Sound getriggert und in welcher Tonhöhe und Lautstärke er gespielt wird. Wenn du auf den großen Würfel klickst, setzt Playbeat diese Werte zufällig und erzeugt eigenständige Beats.
Die Zufallsfunktion kann auf alle oder ausgewählte Spuren wirken. Zudem lässt sich der Bereich eingrenzen, z. B. auf 5 Steps pro Spur mit einer Tonhöhe von C2 bis C3 und einer Lautstärke zwischen 67 und 127. Step, Pitch und Volume kannst du einzeln randomisieren sowie von der globalen Zufallsfunktion ausschließen.
Eine Loop-Funktion ändert den Groove nach einer wählbaren Anzahl an Durchläufen und sorgt so für Abwechslung, gelungene Variationen lassen sich ohne Umweg im unteren Bereich ablegen und abrufen. Shuffle und ein einstellbares Taktraster runden die Funktionen ab.
Playbeat ermöglicht das schnelle Erstellen zufälliger Grooves und überzeugt dabei mit intuitiver Bedienung und musikalischen Ergebnissen. Ein rundum inspirierendes Tool.
www.audiomodern.com | 69 Euro | Win, Mac
Sononym
Beim Sample-Finder Sononym bestehen Samples nicht nur aus statischen Zahlen zu Lautstärke und Länge, sondern sie werden unterteilt nach Helligkeit, Harmonie, Rauschen, Spektrum, Stimmung und Tonhöhe. Diese Eigenschaften können über die Länge des Samples variieren, denn eine gesungene Melodie enthält beispielsweise nicht einfach nur die Tonhöhe C3, sondern es wird die komplette Melodie analysiert. Selbiges gilt für Groove, Lautstärke und die anderen Eigenschaften. Dementsprechend kann Sononym nicht nur Samples finden, die auch C3 als Grundtonlage aufweisen, sondern jene, die eine ähnliche Melodie wie das Original beinhalten. Oder einen vergleichbaren Groove, die gleiche Stimmung und so weiter.
Die Technik funktioniert beeindruckend gut. Einfach ein Sample anwählen und Sekunden später werden alle vergleichbaren Samples der Library aufgelistet. Die Schwerpunkte der Suche - Melodie, Stimmung etc. - lassen sich dabei beliebig verändern und stufenlos von 0 is 100% definieren. Auch das Aufnehmen von Sounds als Suchvorlage ist möglich. So lässt sich ein Rhythmus per Mikro „einsingen“ und schon liefert die App rhythmisch passende Loops und Samples.
Mit Similarity Search besitzt Sononym ein wahrlich außergewöhnliches Feature, das beeindruckend zuverlässig arbeitet und fast jede manuelle Suche nach Sounds hinfällig macht. So schnell findet kein anderes Programm wirklich vergleichbare Samples, daher ein großes Kompliment an die Entwickler.
www.sononym.net | 89 Euro | Win, Mac, Linux
Lieblingstools für kreativen Anschub von Beat-Autor Marco Scherer
Manchmal ist es wie verhext: Trotz Tausender Presets und Samples ohne Ende tritt man doch immer mal auf der Stelle und kommt einfach zu keiner Idee. In solchen Fällen müssen dann meine Geheimwaffen ran: Synplant und Permut8, beide von Sonic Charge [2], sowie Loom 2 von AIR Music [3]. Die beiden Synths bieten für verzweifelte oder experimentelle Momente nämlich Generatoren für zufällige Sounds. Das können zwar auch andere, aber meist mit völligem Chaos als Ergebnis. Bei Synplant wählt man einfach „New Random Seed“, bei Loom 2 drückt man auf den RANDOM-Button rechts oben. Tipp: SHIFT gedrückt halten, um den aktuellen Sound nur zu variieren.
Mit Permut8 hingegen ist dank verschiedener Firmware-ROMs ohnehin (fast) alles möglich. Mein Liebling davon ist der Reciter: ein Sprachmodul im feinsten Atari-Stil (dazu gibt’s weiter hinten übrigens noch einen weiteren Tipp).
Hands-on: So kriegst du Vocals ohne Sänger*in
Crypton Future Media Hatsune Miku
Die Auftritte von Hatsune Miku gehören zum spektakulärsten, was die Musikbranche derzeit zu bieten hat. Begleitet von einer perfekt eingespielten Band und eingebettet in einen Strudel aus Special Effects, legt die 16-Jährige eine Performance hin, die zwischen Brett-harten Metal-Passagen und süßlichen Pop-Momenten schwankt.Als sei es Teil der Choreografie, schwenkt das Publikum dazu die Glow Sticks, schreit die Texte mit und wird dabei in einen kollektiven Freudentaumel gestürzt. Man kennt die radikalen Stilbrüche und die Anime-hafte Ästhetik bereits von anderen japanischen Acts wie Baby Metal. Doch lässt Miku selbst diese alt aussehen.
Das eigentlich Wahnwitzigste der Performance: Hatsune Miku gibt es gar nicht. Zumindest nicht in physischer Form. Ihr Körper wird auf eine riesige Glaswand projiziert, ihre Stimme entstammt einem Sprachsynthesizer und den gibt’s als Software für alle!
Den Traumgesang künstlich zu erzeugen, verfolgt Yamaha schon, seit sie 1998 mit dem FS1R ihren ersten Sprachsynthese-Synthesizer vorstellten. Im Jahr 2003 folgte die Software Vocaloid, die mittlerweile in Version 5 vorliegt. Auch die Singer-Library Hatsune Miku gibt es nun - nach ihrem Debüt 2007 und der Append-Version von 2010 - in der vierten Generation und wird mit einem umfangreichen Bundle ausgeliefert.
Hatsune Miku hat eine helle, unschuldige Stimme, die futuristisch-modern klingt. Mittels Gender Factor lässt sich daraus beispielsweise auch eine freche Kinderstimme machen. Bloßes Eingeben von Text und Melodie führte bei uns zu eher steril wirkenden Ergebnissen. Legt man allerdings Hand an und investiert etwas Editing-Zeit, so lassen sich durchaus gute und relativ lebendige Ergebnisse erzielen, die sich für elektronische Projekte, als Background-oder als Gesangspart-Demo prima eignen. Ersatz für echte Sänger/ innen bieten sie aber nicht.
Der Hersteller schnürt hier ein Paket, das seinen Preis wert ist: Die mitgelieferten Werkzeuge ermöglichen neben der Programmierung von Hatsune Miku sogar komplette Arrangements. Kleine Abstriche bei der Bedienung hindern den Anwender zum Glück nicht daran, mit etwas Aufwand gut klingende und sogar mehrstimmige Sätze zu erzeugen.
www.bestservice.de | ab 139 Euro | Win, Mac